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Physik: Veröffentlichung in Nature Physics
Nano-Bauteile clever voneinander lösen

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Schematik des Experiments zum kritischen Casimireffekt. Hexagonale Goldflocken bewegen sich in einem Abstand über ein strukturiertes ebenes Goldsubstrat. Als Funktion des Plättchenabstands und der Position relativ zu den Substratstreifen erfahren die Plättchen anziehende oder abstoßende Kräfte durch das Substrat. (Bild: Uni Jena / Falko Schmidt)

Nano-Bauteile sind winzig klein; der Name leitet sich von ihrer Größendimension „Nanometer“ (kurz nm) ab. Er entspricht einem Millionstel Millimeter. Zum Vergleich: Atome sind typischerweise 0,1 nm groß, Nano-Bauteile bestehen also aus einer überschaubaren Zahl von einigen Hundert bis wenigen Tausend Atomen. Mögliche Beispiele für solche Bauteilelemente sind Dendrimer-Makromoleküle oder Kohlenstoff-Nanoröhrchen.

Die mechanische Bewegung in solchen Nano-Bauteilen wird oft durch Haftung von aneinander reibenden Elementen blockiert. Diese unerwünschte Haftreibung (englisch „Stiction“) entsteht durch Fluktuationen. Die Kräfte werden allgemein als „Casimir-Kräfte“ bezeichnet. Sie wirken anziehend und führen deshalb letztendlich unvermeidbar zum Zusammenkleben der Bauteile.

„Wir haben nach einer Lösung gesucht, die unerwünschte Haftreibung der aneinander reibenden Nano-Teilchen aufzuheben“, erläutert Dr. Falko Schmidt vom Institut für Angewandte Physik der Universität Jena, und Erstautor der Studie. Die Idee der Forscher war, die Bauteile in eine Lösung – ein Wasser-Öl-Gemisch – zu geben, in dem ebenfalls Fluktuationen auftreten. Die Teilchenbewegungen lassen sich über die Änderung der Temperatur steuern. „Das Besondere ist, dass wir die Fluktuationen nicht unterdrücken, sondern durch andere ersetzen“, sagt Schmidt.

Die Arbeiten wurden sowohl anhand theoretischer Modelle als auch experimentell durchgeführt. Für den theoretischen Part, vor allem hydrodynamische Rechnungen, waren Prof. Dr. Hartmut Löwen und sein Team am Institut für Theoretische Physik II der HHU verantwortlich. Löwen: „Die neuen kritischen Casimir Fluktuationen können zu einer Abstoßung führen und damit die gefährlichen ursprünglichen Casimir-Fluktuationen bekämpfen. Sozusagen Casimir gegen Casimir.“

Der gewünschte Effekt wurde experimentell mit Hilfe eines beheizbaren Mikroskop-Objektivs erzielt. Es gelang, ein Goldplättchen über ein strukturiertes metallisches Substrat zu führen. Normalerweise würde das Goldplättchen am Substrat festkleben. Das Experiment zeigte: Nähert sich die umgebende Flüssigkeit dem kritischen Punkt, also dem Temperaturbereich, bei dem sich Wasser und Öl entmischen, sind die Fluktuationen so stark, dass die Haftreibung vermieden wird. Das könne so wirksam sein, dass klebende Bauteile entfesselt und wieder bewegbar gemacht werden können, so das Fazit der Forschungsgruppe.  

Dr. Schmidt: „Die Idee zu diesem Projekt war schnell geboren, da dieses Problem aus der Nanoherstellung eindeutig ersichtlich war.“ Angewendet werden kann die Idee zukünftig, um mikro- und nanoelektromechanische Systeme von mechanischen Reibungsblockaden zu befreien und damit neue wirkungsvolle funktionsorientierte Nano-Bauteile weiterzuentwickeln.

Originalpublikation

F. Schmidt, A. Callegari, A. Daddi-Moussa-Ider, B. Munkbhat, R. Verre, T. Shegai, M. Käll, H. Löwen, A. Gambassi, G. Volpe, „Tunable critical Casimir forces counteract Casimir-Lifshitz attraction“, Nature Physics, (2022)

DOI: 10.1038/s41567-022-01795-6

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Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen, Math.-Nat.-Fak.-Aktuell, Forschung News
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