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Als die Römer frech geworden...

Dem Düsseldorfer Archäologen Dr. Peter Pieper (Institut für Rechtsmedizin) ist es gelungen, Holzpflöcke als germanische Schwerter zu identifizieren, die man bislang für Holzabfall gehalten hatte. Dadurch konnte erstmals der römische Geschichtsschreiber Tacitus bestätigt werden. Es kann nunmehr als gesichert gelten, daß der römische Feldherr Germanicus auf seinem Rachefeldzug im Jahre 15 n. Chr. an den Ort der Varusschlacht zurückgekehrt ist.

Dem Düsseldorfer Archäologen Dr. Peter Pieper (Institut für Rechtsmedizin) ist es gelungen, Holzpflöcke als germanische Schwerter zu identifizieren, die man bislang für Holzabfall gehalten hatte. Dadurch konnte erstmals der römische Geschichtsschreiber Tacitus bestätigt werden. Es kann nunmehr als gesichert gelten, daß der römische Feldherr Germanicus auf seinem Rachefeldzug im Jahre 15 n. Chr. an den Ort der Varusschlacht zurückgekehrt ist.

"Als die Römer frech geworden": Noch im Studentenlied wirkt der deutsche Nationalmythos von Armin oder auch "Hermann, dem Cherusker", nach. Mit fröhlich-spöttischem "Simserimsimsimsimsim!" wird hier der Untergang der römischen Legionen gefeiert. Überliefert sind auch die Worte des römischen Kaisers Augustus, der nach der Niederlage flehentlich gen Norden gerufen haben soll: "Varus, gib mir meine Legionen wieder!"

Legion sind aber auch die sich um diese Schlacht rankenden Mythen nationalistischer Geschichtsschreibung, die, wie im Denkmal im Teutoburger Wald versinnbildlicht, Arminius immer wieder zum Symbol des Befreiers Germaniens stilisiert haben. Diese Rolle hatte ihm schon der römische Geschichtsschreiber Tacitus zugeschrieben, der etwa ein Jahrhundert später in seinen annales Arminius als "liberator haud dubie Germaniae" ("den unbezweifelbaren Befreier Germaniens) würdigt. Die Varusschlacht endete nach drei Tagen mit der völligen Aufreibung eines Heeres von 15.000-20.000 Mann, der Hälfte der damaligen Rheinarmee, und dem Verlust aller rechtsrheinischen Stützpunkte.

Über kaum ein historisches Ereignis ist bis heute so viel und so kontrovers in den verschiedensten Wissenschaftszweigen von alter und neuer Geschichte, von Kunstgeschichte bis zur Politik diskutiert worden. Daß es keinesfalls nur um die Interpretation bekannter Tatsachen, sondern immer wieder auch um die Bergung neuer Funde und die Entdeckung bislang unbekannter Zusammenhänge geht, hat nicht zuletzt der Düsseldorfer Archäologe Dr. Peter Pieper (Institut für Rechtsmedizin) bewiesen.

Archäologische Funde lassen schon seit geraumer Zeit den Ort der Varusschlacht als gesichert gelten: Seit 1989 wird planmäßig in der Gegend um Kalkriese (einem kleinen Ort nördlich von Osnabrück im Wiehengebirge gelegen, zwischen Bramsche, Hunteburg und Venne) gegraben, und es konnten dort etliche der von Tacitus beschriebenen pontes longi ("Lange Brücken") freigelegt werden, die zum Teil bis in das vierte Jahrtausend rückdatierbar sind. Sie wurden als Bohlenwege von den Germanen angelegt, um das Moor - auch mit Wagen - passieren zu können.

Weniger bekannt allerdings als die legendäre Varusschlacht ist der Rachefeldzug des Germanicus sechs Jahre später, im Jahre 15 n. Chr. Tacitus berichtet, daß die Römer dabei über die sogenannten "Langen Brücken" kamen.

Zu den Fundstücken am nachweislich teilweise gewaltsam zerstörten Bohlenweg XXV bei Kalkriese (zwischen Damme und Hünteburg) gehörten Holzpflöcke, die von Fachleuten auch auf einem Archäologen-Kongreß in Oldenburg zunächst nicht eindeutig identifiziert werden konnten und für Holzabfälle oder Befestigungspflöcke des Bohlenwegs gehalten wurden. PressebildDr. Pieper verblüffte seine Kollegen durch die spontane Erklärung: "Das Ding hat eine Klinge, einen Griff und einen Knauf, ist also zweifelsohne eine Art Schwert, wie wir es in Weiterentwicklung als spätmittelalterlichen Dussack kennen". Dr. Pieper, auch Fechtmeister und deshalb bestens mit Hieb- und Stichwaffen vertraut, ließ es sich nicht nehmen, durch Hiebe, Stöße und Paraden mit einer 1:1 Rekonstruktion eben dieses 1,20 m langen und circa ein Kilo schweren Eichenpflocks eindrucksvoll zu demonstrieren, daß es sich in der Tat um Holzschwerter aus der römischen Kaiserzeit handelt. Inzwischen gaben ihm wissenschaftliche Untersuchungen (die sogenannte C 14 - und die Kalibration durch die dendrokalibrische Methode) Recht: Die Datierung dieser Pflöcke ergab, daß diese Waffen in den Jahren bis 15 n. Chr. angefertigt wurden und keinesfalls danach. Insgesamt wurden 11 Waffen gefunden, wovon 7 als Keulen und 4 als kombinative Hieb- und Stichwaffen identifiziert werden konnten. Unverkennbare Einkerbungen deuten auf Spuren eines Kampfes hin. Setzt man nun die einzelnen Mosaiksteine zusammen, so ergibt sich, daß die Waffen, die genau in dem Bereich des Bohlenweges gefunden wurden, der im Jahre 15 n. Chr. zerstört wurde, nicht in der Varusschlacht, sondern sechs Jahre später im Kampf gegen Germanicus benutzt worden sein müssen.

Von diesem Ereignis geben auch die Annalen des Tacitus ausführlich Kunde, welche durch diese archäologischen Forschungsergebnisse nachträglich bestätigt werden können. Tacitus berichtet, daß Germanicus mit seinem Heer an den Ort der Varusschlacht zurückgekehrt ist, um die Gebeine der gefallenen Römer zu bestatten. Wichtig ist nicht nur der Hinweis, daß die Römer dabei über die "Langen Brücken" gekommen sind, sondern an entscheidender Stelle heißt es bei Tacitus über die Bewaffnung der Germanen: "...primam utcumque aciem hastatam, ceteris praeusta aut brevia tela." (...nur die vorderste Linie sei einigermaßen mit Lanzen versehen, die übrigen führten an der Spitze im Feuer gehärtete oder aber kurze Wurfspeere.). Diese im Feuer gehärteten Waffen verweisen auf die sich zudem schließen, daß diese Holzwaffen eigens gefertigt wurden, also einer klaren militärischen Logistik entsprangen, und nicht zu den (Kriegs-)Werkzeugen wie Sensen, Forken oder Dreschflegeln gehörten, mit denen man noch in den Bauernkriegen zu Felde gezogen war.

Mit der Identifizerung der Eichenpflöcke als Holzschwerter ist dem Düsseldorfer Archäologen ein auch in der Fachwelt viel beachteter Erfolg zuteil geworden. "Die Grabungsarbeiten in diesem Gebiet werden wohl jetzt noch verstärkt werden", so Dr. Peter Pieper, der in einem in Kürze publizierten Aufsatz detailliertere Forschungsergebnisse präsentieren wird. "Vielleicht findet man ja sogar noch einen gut konservierten Legionär."

Autor/in: Jochem Pferdehirt
Kategorie/n: Pressemeldungen
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