Schon seit mehr als 100 Jahren stellen sich Biologen die Frage: Warum müssen sich Lebewesen paaren, wo doch die ungeschlechtliche Fortpflanzung über Zellteilung viel einfacher ist? Tatsächlich müssen nicht nur höhere Lebewesen, sondern auch Bakterien ab und zu einen Teil ihrer Erbinformation mit anderen Artgenossen austauschen. Nur so können sie vermeiden, dass sich schädliche Mutationen im Erbgut ansammeln.
Die Wege, auf denen die Gene verschiedener Individuen für die Rekombination (Durchmischung) des Erbguts zusammenkommen, unterscheiden sich grundlegend im Stammbaum des Lebens. Die Prokaryoten (einfache Zellen ohne Zellkern, zu denen die Bakterien gehören) können kleine DNA-Abschnitte von Artgenossen aufnehmen und in ihr Erbgut einbauen. Sie können aber auch DNA von artfremden Spendern übernehmen, wodurch sie unter Umständen grundlegend neue Fähigkeiten erlangen. Über diesen Prozess verbreiten sich beispielsweise Antibiotika-Resistenzen. Bei den Eukaryoten (komplexe Zellen mit Zellkern, aus denen alle Tiere und Pflanzen bestehen) wird sogar in jeder Generation durch die Paarung die Hälfte der Erbinformation aufgefrischt und in neuen Kombinationen an die Nachkommen weitergegeben.
Warum ist dieser umständliche Weg des Genaustausches notwendig? Dieses Thema wollen zwei Düsseldorfer Wissenschaftler, der Informatiker Prof. Dr. Martin Lercher (Abteilung Computational Cell Biology) und der Evolutionsbiologe Prof. Dr. William Martin (Institut für Molekulare Evolution) zusammen mit dem Biologen Prof. Dr. Eörs Sathmáry vom Parmenides-Institut in München in den kommenden fünf Jahren erforschen. Das Team will mit Analysen von entschlüsseltem Erbgut, mit Computersimulationen und mit mathematischen Modellen ein einheitliches Bild der Rekombination im Stammbaum des Lebens erarbeiten. Die VolkswagenStiftung fördert das gemeinsame Vorhaben „A unified model of recombination in life“ im Rahmen ihrer Initiative „Leben?“ mit insgesamt 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre.
Bereits im Dezember 2016 konnte die HHU einen Erfolg in dieser Förderinitiative der VolkswagenStiftung verbuchen. Der Düsseldorfer Evolutionsbiologe PD Dr. Sven Gould untersucht zusammen mit Kollegen der ETH Zürich, wie genau der Übergang von prokaryotischen zu eukaryotischen Zellen erfolgte. Weitere Informationen: Pressemeldung vom 20. Dezember 2016
VolkswagenStiftung
Die VolkswagenStiftung fördert Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre. Sie ermöglicht Forschungsvorhaben in zukunftsträchtigen Gebieten und hilft wissenschaftlichen Institutionen bei der Verbesserung der strukturellen Voraussetzungen für ihre Arbeit. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dem wissenschaftlichen Nachwuchs sowie der Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern auch jenseits wissenschaftlicher, kultureller und staatlicher Grenzen.
Die beiden Düsseldorfer Forscher werden im Rahmen der Initiative „Leben? – Ein neuer Blick der Naturwissenschaften auf die grundlegenden Prinzipien des Lebens“ gefördert. Mit dieser im Jahr 2015 gestarteten Initiative werden jährlich rund zehn Projekte unterstützt, die an der Grenze von Natur- und Lebenswissenschaften zur Frage „Was ist Leben?“ arbeiten.
In der ersten Antragsrunde wurden rund 400 Projektskizzen eingereicht, von denen für gerade einmal 13 Projekte eine Förderung bewilligt wurde. Mit der Bewilligung für das Projekt von PD Dr. Gould im Jahr 2016 und den Bewilligungen für Prof. Martin und Prof. Lercher im Jahr 2017 ist die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sehr erfolgreich im „Leben?“-Projekt.
Weitere Informationen zum Förderprogramm: Webseite der VolkswagenStiftung