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Corona im Fokus Detailansicht

Corona im Fokus: HHU-Expertise zur Pandemie
Konsequenzen der Einsamkeit

Seit vielen Jahren forscht die Psychologin Prof. Dr. Bettina Pause (Institut für Biologische und Sozialpsychologie) zum Thema Einsamkeit. Die sozialen Auswirkungen von ungewolltem Alleinsein, so die Definition von Einsamkeit, sind verheerend: „Einsamkeit wird als chronische Stresserkrankung wahrgenommen. Sie wirkt aufs Herz-Kreislauf-System, verursacht Krebs oder andere tödliche Krankheiten.“

Prof. Dr. Bettina Pause, Foto: privat

Auch wenn derzeit viele Online-Angebote den isolierten Menschen Nähe geben wollen, ein wirklicher Ersatz ist das nicht. „Analoge Kontakte sind auf jeden Fall deutlich wichtiger als digitale“, so die Wissenschaftlerin. „Es macht einen Unterschied, ob die Gesprächspartnerin oder der Freund anwesend ist. Ich muss mal in den Arm genommen werden oder gemeinsam spontan lachen. Das Analoge ist sehr viel intensiver und ich weiß schneller, ob ich mich auf den Menschen verlassen kann.“ Mit großer Wahrscheinlichkeit liegt dies daran, dass Menschen auch chemisch miteinander kommunizieren. Menschen strömen jederzeit extrem schwache Duftsignale aus, an denen man u.a. erkennen kann, ob jemand ehrlich ist oder betrügt.

Dabei wirkt Einsamkeit doppelt: Zum einen verursacht sie durch die Wahrnehmung als Stress chronische Erkrankungen, zum anderen wird hier der Stress gerade nicht durch soziale Kontakte abgefangen. „Bei normalen Stresserkrankungen werden die Folgen durch soziale Kontakte abgefangen. Das als Kuschelhormon bekannte Oxytocin, das bei engem Kontakt mit einem Partner oder Freund erzeugt wird, verstärkt nicht nur die Bindung, sondern hat eine direkte Wirkung auf die Stresshormone.“

Evolutionsbiologisch ist dieser Wunsch nach der direkten Nähe zu anderen durchaus erklärlich. Darauf wies die Psychologin z.B. 2019 in einem Artikel für das Magazin der Diakonie Düsseldorf „dialog“ hin: „Gehen wir in der Geschichte mal zurück in die Zeit, als wir noch Primaten oder Menschenaffen waren. Da konnten wir uns nicht besonders gut verteidigen. Wir sind nicht effektiv ausgestattet mit Krallen  oder Eckzähnen. Wenn wir die Gruppe in einem bestimmten Entwicklungsstadium nicht gehabt hätten, wären wir ausgestorben. Diese Gruppe braucht flexible soziale Bezüge, um sie stabil zu machen. Das ist jetzt der Unterschied zur Ameise, die ja auch viele Beziehungen hat, die aber alle stark automatisiert sind. Jeder Ameise ist eine bestimmte Rolle zugeordnet, die genetisch festgelegt ist. Die Primaten haben gerade den Erfolg, weil sie so flexibel sind.“

Menschen sind als soziale Wesen gemacht, hirnphysiologisch ist der Mensch auf ein Gegenüber angewiesen. „Wenn Menschen einsam sind, werden sie krank. Nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Es entstehen Angststörungen, Depressionen, Abhängigkeiten bis hin zur Schizophrenie,“ so Pause. Nach aktuellen Studien deutet alles darauf hin, dass sozial eingebundene Menschen soziale chemische Informationen effektiver nutzen als einsame Menschen. „Und chemische Informationen tauschen wir nicht über Gespräche und Gesten aus, sondern wir nehmen sie über die Nase wahr.“ Je länger die Einsamkeit andauert, desto wahrscheinlicher sind die Effekte auf die psychische und körperliche Gesundheit. Für Menschen, die sich in dieser Zeit einsam fühlen, ist es daher extrem wichtig, dass sie Kontakt zu ihren Freunden und Bekannten halten. „In NRW ist der Kontakt zwischen zwei Menschen auf Abstand erlaubt. Einsame Menschen sollten hiervon Gebrauch machen und sich weiterhin, einzeln und auf Abstand mit ihren Freunden und Bekannten treffen“, so die Psychologin.

 

Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 wirft zahlreiche Fragen nicht nur zu den gesundheitlichen, sondern auch zu wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Folgen auf. Die Wissenschaft liefert hier entscheidende Fakten und Antworten. Viele Forscherinnen und Forscher der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) aus unterschiedlichen Disziplinen sind durch ihre Arbeit aktuell gefragte Gesprächspartner der Medien oder auch direkt in das Pandemie-Krisenmanagement eingebunden. Die HHU möchte ihre wissenschaftliche Expertise in die öffentliche Diskussion einbringen, um so zur Einordnung und Bewältigung der Corona-Krise beizutragen.

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Autor/in: Victoria Meinschäfer
Kategorie/n: Pressemeldungen, Corona-Expertisen
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