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2. Vortrag von HHU-Wirtschaftsprofessor Rafael Laguna de la Vera
„Bürokratiemonster sind tödlich für Innovatoren“

Wie schaffen wir es, radikale und disruptive Ansätze besser zu fördern? Und wie verhindern wir es, dass wir innovative Köpfe nicht durch Bürokratie und Demotivation verlieren? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Rafael Laguna de la Vera, Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), in seinem zweiten öffentlichen Vortrag am 22. November. Der Livestream steht ab sofort in der Mediathek zur Verfügung.

Raphael Laguna de la Vera am 22. November in Hörsaal 3D. (alle Fotos: Christoph Kawan / HHU)

Deutschland hat das Potential, die Megatrends der Zukunft zu prägen, so Laguna de la Vera. Es verfügt über eine sehr gute Grundlagenforschung und viele kluge, gut ausgebildete Köpfe. Das zeigt beispielsweise das deutsche Unternehmen BioNTech, das mit der Entwicklung eines neuartigen mRNA-Impfstoffs gegen Covid-19 vermutlich Millionen von Menschen weltweit das Leben retten konnte. Allerdings gelingt es viel zu selten, Knowhow in neue Unternehmen und volkswirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland zu transformieren.

„Trifft Innovation auf Bürokratie, so stehen wir in Deutschland vor großen Barrieren“, so Laguna de la Vera. Der SPRIND-Direktor hat 2019 das Unternehmertum gegen das Behördenleben eingetauscht und weiß aus eigener Erfahrung, wovon er spricht. SPRIND wurde im Auftrag der Bundesregierung 2019 als nicht-militärisches Pendant zur US-amerikanischen Forschungsbehörde DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) konzipiert. Das Ziel: neuen, disruptiven Technologien mit Sprunginnovationsspotential ein unternehmerisches Umfeld zu bieten, in dem Innovator und Innovatorinnen ihre Ideen bis zur Marktreife weiterentwickeln können.

Die Bundesagentur ist ein staatliches Förderinstrument und gleich zwei Bundesministerien (Forschung / BMBF und Wirtschaft / BMWK) unterstellt: „Wir werden beim Finden, Fördern und Finanzieren von Sprunginnovation als Unterbeauftragte von Ministerien in Form von Verwaltungsverfahren gemanagt. Dadurch dauert alles viel länger und ist wesentlich teurer. Wir können nicht so flexibel und agil handeln, wie unser Ziel es erfordert.“

Laguna sieht mehrere Hebel, um die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) zu einem Reallabor in der Innovationsförderung mit flexiblen und agilen Instrumenten zur Entwicklung und Finanzierung von vielversprechenden Projekten auszubauen: Sie ressortunabhängig aufstellen, mit einem Globalhaushalt ausstatten und sie von Vergaberegelungen in der Projektfinanzierung befreien – kurz: eine radikale Entbürokratisierung. Dabei hat er nicht nur die Bundesagentur im Blick, sondern den gesamten Prozess der Innovationsförderung und -finanzierung in Deutschland und auf EU-Ebene.

Der Direktor der Bundesagentur will die Durchlässigkeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft erhöhen und eine Brücke bauen zwischen der ausgezeichneten Spitzenforschung in Deutschland und der wirtschaftlichen Verwertung in neue, erfolgreiche Unternehmen. Denn nur unzureichend würden die herausragenden Potentiale, „die in bestehenden Patenten und Knowhow schlummern“ in Deutschland bisher ausgeschöpft. Zu gründungsfeindlich sei das gängige Transfermodell an Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit seinen Ausgründungs- und Lizensierungsbedingungen. Entweder würde erst gar nicht ausgegründet oder Startups würden gezwungen, sich auf Konditionen mit hohen finanziellen Folgelasten einzulassen.

Damit die Menge und der Erfolg von Neugründungen sprunghaft ansteige, müsse Transfer drastisch vereinfacht und standarisiert werden. Laguna de la Vera: „Inkrementelle Verbesserungen des bisherigen Systems bringen nicht viel – wir brauchen eine grundlegende Neuerung im IP-Transfer, die den Fokus auf die Maximierung von Ausgründungserfolgen legt.“ So wie das ‚IP for virtual shares‘-Modell: eine konsequente Übertragung von Nutzungs- und Eigentumsrechten an den Hochschulpatenten auf Startups und Ausgründungen gegen eine virtuelle Beteiligung am Startup ohne weitere Kapitalabflüsse in der Gründungsphase.

Zum Vortragsende plädierte der Innovationsexperte dafür, die Einkaufsmacht des Staates zu nutzen, um Wertschöpfung im Lande zu halten und durch Vollfinanzierung von der Gründung bis zum Börsengang zu schützen. Staatliche Institutionen sollten radikale Innovation nicht nur als Förderaufgabe begreifen, sondern – wie das Vorbild DARPA -  auch als Abnehmer in hochinnovative Anwendungen investieren. Gerade im Deep Tech Bereich (Künstliche Intelligenz, Quanten-Computer, Biotech, Nanotechnologien, Raumfahrt, Robotik sowie neue Möglichkeiten der Energiegewinnung und –speicherung) ist der Weg von der Grundlagenforschung bis zum marktreifen Produkt oft lang und steinig. Wo es noch keinen Markt gibt, ist die Finanzierung für private Investoren oft zu unberechenbar. Deshalb muss der Staat als Unternehmer die Risiken übernehmen und finanziell das sogenannte Tal des Todes, also die Phase zwischen Entdeckung und Kommerzialisierung von Innovation, überbrücken.

Laguna ist Optimist und möchte zum Anpacken motivieren. Und so gab er auch diesmal viele Denkanstöße und Empfehlungen, wie Deutschland (und Europa) Innovation fördern, ihre Finanzierung ausbauen und vorhandene Lücken schließen kann. Das Plenum honorierte es mit einem langen, anhaltenden Schlussapplaus.

Vorträge verpasst?
Die Mitschnitte sind auf HHU-YouTube verfügbar: erster Vortrag (26. Oktober 2022), zweiter Vortrag (22. November 2022)

Literaturempfehlung: Rafael Laguna de la Vera, Thomas Ramge, Sprunginnovation: Wie wir mit Wissenschaft und Technik die Welt wieder in Balance bekommen. Antworten der Zukunft auf Klimawandel, Digitalisierung, Armut und Pandemien. Berlin 2021

 

Autor/in:
Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen

Professor Rüdiger Hahn, Inhaber des Henkel-Stiftungslehrstuhl für Sustainability Management, bedankt sich im Namen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und überreicht die Urkunde.

Angeregte Diskussion nach dem Vortrag.

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