„Sie haben in den vergangenen Jahren Großes geleistet“, sagte Prof. Dr. Martin Heil, Prodekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, in Richtung der frisch promovierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler: „Mit Ihrer Promotionsarbeit haben Sie Ihr erstes eigenständiges wissenschaftliches Projekt erfolgreich abgeschlossen. Sie haben gezeigt, dass Sie selbstständig wissenschaftlich arbeiten können, aber auch, dass Sie sich in ein oft interdisziplinäres Team einfinden. Damit haben Sie sich sowohl für eine wissenschaftliche Laufbahn als auch für eine Karriere außerhalb der Universität qualifiziert. Sie haben Skills erworben, die gleichermaßen höchst willkommen sind. Und egal, wohin Sie sich jetzt wenden werden, Sie werden Ihre Zeit in Düsseldorf im Gedächtnis behalten, denn sie war sicherlich eine der prägendsten Zeiten in ihrem Leben.“
An die Eltern, Partner, Freunde und Kollegen gewandt ergänzte Prof. Heil: „Ich danke und gratuliere auch Ihnen. Sie haben für die frischen Doktores erst das Umfeld geschaffen, in denen diese ihre kreativen Leistungen erbringen konnten. Sie haben sie aufgefangen, wenn es im Labor gelegentlich nicht laufen wollte, Sie durften aber auch die Freude teilen, wenn ein Experiment geklappt hat, ein vertracktes Gleichungssystems entwirrt war oder eine Modellrechnung ein realistisches Ergebnis erbrachte. Lassen Sie uns nun gemeinsam feiern.“
Festredner Prof. Dr. Jerôme Lang sprach über „Algorithmen für Gruppenentscheidungen". Er führte an Alltagsbeispielen aus, wie soziale Entscheidungsprobleme durch intelligente Algorithmen unterstützt werden können: Wie findet man ein Restaurant für ein gemeinsames Abendessen; welche Mitbewohner in einer WG bekommen welches Zimmer und wie teilt man sich die Miete; wie bildet ein Unternehmen Gruppen von Mitarbeitenden, die gut miteinander auskommen? Prof. Lang forscht an der Université Paris-Dauphine. Er ist auch Humboldt-Forschungspreisträger und arbeitet seit 2020 ebenfalls an der HHU in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Rothe.
Preis für die Beste Dissertation in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät im Jahr 2022
Dr. Anna Maria Kerkmann wurde mit dem Preis für die Beste Dissertation der Fakultät im vergangenen Jahr ausgezeichnet. Die 28-jährige Informatikerin promovierte am Institut für Informatik der HHU in der Arbeitsgruppe für Komplexitätstheorie und Kryptologie von Prof. Dr. Jörg Rothe. Der Titel ihrer Dissertation lautet: „An Axiomatic and Computational Analysis of Altruism, Fairness, and Stability in Coalition Formation Games“.
Die Kollegiatin des NRW-Forschungskollegs „Online-Partizipation“ behandelte ein Problem der kooperativen Spieltheorie, bei denen die Spieler in Gruppen (sogenannte Koalitionen) aufgeteilt werden. Wie diese Koalitionen entstehen, hängt von den Präferenzen der Spieler ab. Solche „Coalition formation games“ haben zahlreiche Anwendungen, unter anderem in der Künstlichen Intelligenz und im Gebiet der Multi-Agenten-Systeme. Ein Beispiel ist die Koordination von Roboterschwärmen, wobei hier die einzelnen Roboter jeweils einen „Spieler“ darstellen.
Kerkmanns Dissertation bildet schwerpunktmäßig die Modellierung von Altruismus in solchen Spielen ab. Anders als in der klassischen Spieltheorie sind die Spieler in diesen Modellen nicht rein egoistisch, sondern sie berücksichtigen auch die Präferenzen ihrer „Freunde“, dargestellt als benachbarte Knoten in einem unterliegenden sozialen Netzwerk. Die Arbeit findet Anwendung in Szenarien, bei denen die Agenten vernetzt sind, zum Beispiel, weil sie räumlich getrennt sind, was die Kommunikation zwischen einzelnen Spielern einschränkt. Hier kann altruistisches Verhalten zu einem besseren Endergebnis beitragen.
Doktorvater Prof. Rothe würdigt die Preisträgerin: „Dr. Kerkmann hat in ihrer Dissertation sehr wichtige Ergebnisse für das hoch dynamische Forschungsfeld der kooperativen Spieltheorie geliefert, die auch für die Anwendung wichtig sind. Dies zeigt auch die sehr positive Resonanz in der Fachcommunity, wie auf der International Joint Conference on Artificial Intelligence im Jahr 2020.“
Der mit 2.500 Euro dotierte Preis für die Beste Dissertation in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät wird von der Gesellschaft von Freunden und Förderern der HHU finanziert.
Heraeus-Dissertationspreis
Der von der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung geförderte Dissertationspreis geht in diesem Jahr an Dr. Manuel Escobedo. Der 1987 in Mexiko-Stadt geborene Physiker promovierte an der HHU bei Prof. Dr. Stefan Egelhaaf am Institut für Experimentelle Physik der kondensierten Materie mit einer Arbeit zur „Weichen Materie“. Seine Arbeit heißt: „Digital Fourier Microscopy and its Applications to Soft Matter Systems“.
Weiche Materie bezeichnet solche Zustände kondensierter Materie, die nur bedingt den Aggregatzuständen „fest“ oder „flüssig“ zuzuordnen sind. Beispiele hierfür sind Gele, Suspensionen – zu denen Milch und Blut zählen –, Flüssigkristalle und auch Elastomere wie etwa Gummi.
Escobedo befasste sich mit kolloidalen Dispersionen, einem grundlegenden Beispiel für Weiche Materie. Ihm gelang es, die Methode der sogenannten Digitalen Fourier-Mikroskopie entscheidend zu optimieren und mit ihr präzise die Materialeigenschaften von Kolloiden, Granulaten und biologischen Fluiden wie zum Beispiel Proteinen zu bestimmen. Insbesondere analysierte er den Effekt der Polydispersität, das Sedimentationsverhalten von Partikeln und die Fließeigenschaften.
Seine Messungen unterschiedlicher komplexer Fluide wurden in mehreren Laboren durchgeführt, unter anderem auch auf der Internationalen Raumstation (ISS) – hier ging es darum, wie Eigenschaften von Fluiden unter Schwerelosigkeitsbedingungen präzise gemessen werden können.
Sein Doktorvater Prof. Dr. Stefan Egelhaaf erklärt dazu: „Durch die Arbeit von Manuel Escobedo kann die ‚Digitale Fourier-Mikroskopie‘ jetzt zur umfassenden und quantitativen Analyse der Dynamik vieler neuer Materialien genutzt werden.“ Prof. Dr. Hartmut Löwen, HHU-Mitglied in der Vergabekommission, ergänzt: „Dr. Escobedo hat grundlegende, lange offene Fragestellungen zum Langzeitverhalten dynamischer Kolloidkorrelationen experimentell beantwortet.“
Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und die Bergische Universität Wuppertal verleihen seit 2018 den mit 4.000 Euro dotierten „Wilhelm und Else Heraeus-Dissertationspreis“. Er wird in einem zweistufigen Verfahren vergeben, die Endauswahl trifft ein achtköpfiges Gremium, das paritätisch von Vertretern aus Düsseldorf und Wuppertal besetzt ist.
95 Promotionen im Wintersemester 2022/2023
In den vergangenen sechs Monaten verlieh die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät 51 Nachwuchswissenschaftlerinnen und 44 Nachwuchswissenschaftlern ihren Doktortitel. Die Biologie stellte mit 35 Promotionen das größte Kontingent, gefolgt von der Chemie (24), Pharmazie (12), Physik (11), Informatik und Psychologie (jeweils 5) und der Mathematik (3). Der Kreis der Promovierten ist international, diese stammen, neben Deutschland, aus zwölf Ländern: Argentinien, Brasilien, China, Frankreich, Iran, Mexiko, Niederlande, Russland, Schweiz, Türkei, Ukraine und dem Vereinigten Königreich.