Die Studie entstand unter dem Dach der HHU-Zukunftsgruppe 'Competition & Sustainability'. Von der Juristischen Fakultät waren Prof. Dr. Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrecht, Energie- und Völkerrechtlerin Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Dr. Tristan Rohner und Philipp Offergeld beteiligt. Mitgearbeitet haben auch die Ökonomen Prof. Dr. Justus Haucap, Prof. Dr. Rüdiger Hahn, Anja Roesner und Alexandra May aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
Justus Haucap und Rupprecht Podszun stellten die 284 Seiten starke Studie „Wettbewerb und Nachhaltigkeit in Deutschland und in der EU“ am 22. März 2023 in Berlin vor – auf Einladung des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium, Sven Giegold. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, diskutierte mit. Geleitet wurde die Vorstellung von Elga Bartsch, Abteilungsleiterin für Wirtschaftspolitik im BMWK.
Professor Podszun betonte bei der Vorstellung der Studie: „Kartellrecht ist nicht das wichtigste Mittel, um mehr Klimaschutz oder mehr Nachhaltigkeit zu erreichen. Aber wenn wir den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ernst nehmen, dann müssen wir in allen Bereichen schauen, welchen Beitrag Rechtsgebiete und Behörden für mehr Nachhaltigkeit leisten können.“
Aktuell wird das vor allem anhand von sogenannten Nachhaltigkeitsvereinbarungen diskutiert: Dürfen Unternehmen sich mit anderen Unternehmen absprechen, um gemeinsam die CO2-Emissionen zu verringern? Was zunächst nach einer willkommenen Nachhaltigkeitsinitiative klingt, wird von Kartellbehörden wie dem Bundeskartellamt oft kritisch gesehen: Unternehmen sollen ihre Ziele im Wettbewerb erreichen, nicht durch gemeinsame Absprachen. Was als sinnvolle Kooperation beginnt, kann am Ende ein verbraucherschädliches Kartell unter dem Deckmantel des Klimaschutzes sein.
Die erste wichtige Erkenntnis der Gutachter: Wettbewerb und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus. Die Gutachter halten die Marktwirtschaft als System weiterhin für unverzichtbar. Damit erteilen sie denjenigen eine Absage, die nur in einem radikalen Verzicht auf Konsum eine Chance für die Nachhaltigkeit sehen. Ohne den Ansporn im Wettbewerb werden insbesondere die neuen Technologien nicht entstehen, die zum Beispiel für den Klimaschutz nötig sind. Reformbedarf sehen sie gleichwohl: Dass Unternehmen, die umweltschädlich produzieren, im Wettbewerb Kostenvorteile haben, müsse korrigiert werden. Das Team der HHU hat 34 konkrete Optionen entwickelt und mit Vor- und Nachteilen dargestellt, wie das Kartellrecht geändert werden könnte. Eine Empfehlung wird in der Studie nicht ausgesprochen – das BMWK will zunächst eine Konsultation durchführen und dann entscheiden.
Wettbewerbsbehörden wie das Bundeskartellamt könnten aber in Zukunft ihre Praxis stärker auf die Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen ausrichten. So könnten nachhaltigkeitsschädliche Praktiken von marktbeherrschenden Unternehmen schärfer verfolgt werden, zum Beispiel wenn Monopolisten ihre Macht ausspielen und gegen Umweltschutznormen verstoßen. In solchen Fällen wären auch höhere Bußgelder denkbar. Zugleich könnten in begrenztem Umfang auch Kooperationen erlaubt werden, die jetzt noch vom Kartellrecht untersagt werden.
Staatssekretär Giegold sagte zu, die Optionen zu prüfen. Sie könnten in einer künftigen Anpassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) berücksichtigt werden.
Das Gutachten ist hier abrufbar.