Jump to contentJump to search

Verkehrsbelästigung: Was Stadtbewohnern eine Verkehrsberuhigung wert wäre

Abgase, Lärm, Staus und Unfälle. Die Folgen des Autoverkehrs werden in der Gesellschaft zunehmend kritisch wahrgenommen. Aber was wäre eine Lärmreduktion den Anwohnern wert? Eine aktuelle Studie untersucht, welchen Einfluss der Autoverkehr auf die Mietpreise in neun deutschen Großstädten hat.

von Dr. Nicolas Wellmann und Daniel Czarnowske

Das vergangene Jahrhundert war für das Auto ein goldenes Zeitalter. Durch die Möglichkeit jederzeit überall hinfahren zu können, symbolisierte das Auto nicht nur Freiheit, sondern erfreute sich auch schnell wachsender Popularität. Aktuell besitzen in Europa durchschnittlich fünf von zehn Personen ein Auto, in den USA sogar acht von zehn Personen.

Allerdings wird der Automobilverkehr mittlerweile auch zunehmend als Problem empfunden. Autos emittieren verschiedene Schadstoffe, die der Gesundheit und der Umwelt wesentlich schaden. Verschiedene Untersuchungen zeigen z. B., dass das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Allergien, Asthma wesentlich durch die Luftverschmutzung beeinflusst wird. Darüber hinaus wird in der EU 21 % des CO2 Ausstoßes durch den Straßenverkehr verursacht. Schätzungen gehen davon aus, dass der Klimawandel in der EU insgesamt Schäden von 190 Mrd. Euro verursacht. Weitere Kosten entstehen für die Gesellschaft durch Staus und Unfälle im Automobilverkehr.

Eine aktuelle Studie hat empirisch für neun deutscher Großstädte untersucht, welchen Betrag Haushalte für eine Reduzierung des Straßenverkehrs bezahlen würden. Dazu wurden über drei Jahre Wohnungsanzeigen aus Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig, Dresden von zwei großen und bekannten Immobilienportalen gesammelt. Insgesamt umfasst der Datensatz 533.402 Wohnungsanzeigen mit detaillierten Angaben zur Ausstattung (z. B. Anzahl der Zimmer, Zustand der Wohnung). Außerdem enthält der Datensatz genaue Informationen zur Lage der Wohnung, die mit geografischen Daten aus OpenStreetMap verknüpft wurden. Dies ermöglicht es für jede einzelne Wohnung, die Distanzen zu lokalen Geschäften und Dienstleistungen, wie z. B. zum nächsten Supermarkt, Restaurant oder Kindergarten zu berechnen. Zudem wurde für alle Städte in jeder Straße die höchstmögliche Verkehrsintensität berechnet. Diese ergibt sich aus der durchschnittlichen
Länge eines deutschen Autos inkl. Sicherheitsabstand, der erlaubten Geschwindigkeit und der Anzahl der Spuren.

In einem ersten Schritt wurde zunächst geschätzt, welchen Einfluss die Charakteristika der Wohnungen und insbesondere die Verkehrsintensität vor der jeweiligen Wohnung auf die Mietpreise haben. In einem zweiten Schritt lässt sich mithilfe eines ökonomischen Strukturmodells daraus ableiten, wie hoch die Zahlungsbereitschaft eines Mieters für verschiedene exemplarische Verkehrsreduktion ist. Tabelle 1 zeigt die jährliche Zahlungsbereitschaft eines Haushalts für verschiedene exemplarische Verkehrsreduktionen.

Mit 297,40 Euro pro Wohnung und Jahr für eine Reduktion des Verkehrs um 30 % ist die Zahlungsbereitschaft der Frankfurter (a.M.) am höchsten. Die Berliner wären bereit dafür 215,50 Euro pro Wohnung und Jahr zu bezahlen.

Tabelle 2 berechnet den Nutzengewinn auf Städteebene und berücksichtigt dafür zusätzlich die Anzahl der Haushalt pro Stadt und den Aufbau des Straßennetzes. Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse belastbar sind, wurden verschiedene alternative Schätzung durchgeführt, die die Ergebnisse bestätigen. Neben der Schätzung der Zahlungsbereitschaft für eine Reduktion des Straßenverkehrs erörtert die Studie auch mögliche ökonomische Auswirkungen. Eine Reduktion des innerstädtischen Straßenverkehrs erhöht den Wert von innerstädtischen Immobilien. Besitzer einer Immobilie, die diese vermieten oder veräußern wollen, könnten somit von dieser Wertsteigerung profitieren, indem sie die Werterhöhung auf die Mieten oder Kaufpreise umlegen. Vor dem Hintergrund, dass die Immobilienmärkte in den untersuchten Großstädten bereits durch zahlreiche Preissteigerung angespannt sind, könnte dies hinderlich für Politikmaßnahmen zur Verkehrsreduktion sein.

Des Weiteren könnte eine Verkehrsberuhigung die innerstädtischen Mobilitätskosten erhöhen. Wenn sich z. B. durch die Einführung von verkehrsberuhigten Zonen die Gefahr von Staus erhöht, dann müssten Autofahrer höhere Fahrzeiten einplanen. Dies hätte wiederum unmittelbare Konsequenzen für Nutzer des ÖPNVs, da durch die höhere Fahrzeit mit dem Auto dieser als Alternative interessanter, aber auch voller wird. Ein möglicher Anstieg der Mobilitätskosten würde sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmen wie z. B. Einzelhandelsgeschäfte betreffen. In den untersuchten Städten pendeln 46 % der Erwerbstätigen zum Arbeiten in die Stadt. Eine Erhöhung der Fahrtkosten senkt somit auch die Attraktivität von innerstädtischen Arbeitsstellen. Dies gilt insbesondere für Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen. Gleichzeitig führen die erhöhten Fahrtkosten dazu, dass die Attraktivität des innerstädtischen Einzelhandels für Konsumenten sinkt. In der Folge könnten diese vermehrt auf Onlineshops ausweichen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass eine Reduktion des Straßenverkehrs aus ökonomischer Sicht zwar zu Gewinnen führen kann, denen allerdings auch Kosten gegenüberstehen. Um diese auszugleichen, sollten Politikmaßnahmen zur Reduzierung des Straßenverkehrs auch Maßnahmen zur Reduzierung der Mobilitätskosten beinhalten. Dass das städtische Leben aber grundsätzlich auch mit alternativen Verkehrsmitteln organisiert werden kann, haben Städte wie Kopenhagen oder Amsterdam gezeigt. Dort findet der Straßenverkehr bereits zu zwei Dritteln mit alternativen Transportmitteln statt.

Dieser Beitrag wurde auch im DICE Policy Brief veröffentlicht.

DICE PUBLIKATION

Nicolas Wellmann & Daniel Czarnowske: What would Households Pay for a Reduction of Automobile Traffic? Evidence From Nine German Cities, DICE Discussion Paper No. 361, online verfügbar unter: ideas.repec.org/p/zbw/dicedp/361.html

 

Kategorie/n: DICE-Meldung, Forschungkompakt
Responsible for the content: