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Psychologie: Veröffentlichung in Communications Psychology
Kindergerechtigkeit

Wie empfinden kleine Kinder, was gerecht und was ungerecht ist und wie verhalten sie sich entsprechend? Zwei Psychologen und eine Psychologin von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), der niederländischen Universität Tilburg und der Veterinärärztlichen Universität Wien zeigen in der Fachzeitschrift Communications Psychology, dass es stereotypische Geschlechterunterschiede gibt, aber es doch nicht ganz so einfach ist.

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Wie fair verteilen Kinder Ressourcen? (KI-generiertes Bild: HHU / Paul Schwaderer / Midjourney)

Das Szenario ist bekannt: Der siebenjährige Lukas beschwert sich lautstark, wenn sein Freund Henry eine Eiskugel mehr bekommt als er selbst. Obwohl – oder gerade weil (?) – er sich unfair behandelt fühlt, gibt er seinem Freund Leo, der gar kein Eis hat, keinen Happen ab. Lisa dagegen teilt ihr Eis mit Leo. Dann aber, am folgenden Tag, hat Lukas Schokolade dabei, von der er bereitwillig Lisa etwas abgibt.

Das erste Beispiel scheint stereotyp: Jungen erkennen zwar sehr genau Ungerechtigkeiten, die gegen sie wirken, behandeln aber im selben Moment andere Kinder genauso unfair. Mädchen dagegen sind dazu eher bereit zu teilen. Doch im Fall der Schokolade funktioniert das Stereotyp nicht.

Wie sich der Sinn für Fairness und Unfairness bei Kindern entwickelt, untersuchten drei Forschende, die ursprünglich alle an der HHU arbeiteten, genauer: Prof. Dr. Tobias Kalenscher, Lehrstuhlinhaber für Vergleichende Psychologie in Düsseldorf, Dr. Lina Oberließen, jetzt am Wolfsforschungszentrum der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Prof. Dr. Marijn van Wingerden vom Department of Cognitive Science and Artificial Intelligence der Universität Tilburg. In Communications Psychology beschreiben sie Verhaltensexperimente, die sie dazu mit 332 Kindern im Alter von drei bis acht Jahren gemacht haben.

Prof. van Wingerden: „Bei uns gab es allerdings weder Eis noch Schokolade, sondern die Kinder sollten sich paarweise Smiley-Sticker zuschieben. Teilweise bauten wir auch für das Kind, dass die Verteilung vornimmt, zusätzliche Kosten ein, wenn es zum Beispiel die Sticker gleich verteilt. Und dann beobachteten wir, wie sich die Kinder in verschiedenen Geschlechterkonstellationen verhielten.“

Dr. Oberließen zu den Ergebnissen: „Wir fanden tatsächlich geschlechtsspezifische Effekte. Mädchen zeigten sich mitfühlender als Jungen. Interessanterweise gab es aber bei beiden Geschlechtern den gleichen Unmut, wenn ein Junge der Empfänger einer größeren Portion war. Dies deutet darauf hin, dass Neid gegenüber Jungen allgemein größer ist.“ Ebenfalls scheinen Jungen ihrem eigenen Geschlecht gegenüber gehässiger zu sein: Sie wählten immer die größtmögliche Anzahl Sticker für sich selbst, auch wenn ihr Gegenüber dann leer ausging.

Die Fairnesseinstellung von Kindern ist also tatsächlich geschlechtsabhängig. Sie hängt aber nicht nur vom eigenen Geschlecht ab, sondern auch vom Geschlecht der Kinder, mit dem sie interagieren. Van Wingerden: „Wir haben die typischen Geschlechterstereotypen gefunden – Mädchen sind mitfühlender, das Konkurrenzverhalten von Jungen ist ausgeprägter.“ Oberließen ergänzt: „Die Geschichte ist aber doch komplizierter. So wird Neid etwa bei beiden Geschlechtern eher gegen Jungen ausgedrückt als gegen Mädchen. Und Jungs sind, wenn sie ihre Ressourcen mit Mädchen teilen, wesentlich mitfühlender als mit anderen Jungen.“

Prof. Kalenscher folgert aus den Ergebnissen: „Geschlechterstereotypen sind in der heutigen Gesellschaft allgegenwärtig. Unsere Studie unterstreicht, dass geschlechtsspezifische Unterschiede im Sozialverhalten tatsächlich empirisch beobachtbar sind, selbst bei kleinen Kindern. Dies trägt möglicherweise zu kulturellen, stereotypen Geschlechterrollen im Erwachsenenalter bei. Wir sehen aber auch, dass sich geschlechtsspezifische Unterschiede, zumindest im Bereich der Fairnesspräferenzen, über einen längeren Zeitraum verfestigen. Diese Beobachtung lässt Raum, um während der kritischen Phase der Kindheit nicht-geschlechtsstereotype Fairness-Einstellungen zu fördern.“

Originalpublikation

Marijn van Wingerden, Lina Oberließen & Tobias Kalenscher. Egalitarian preferences in young children depend on the genders of the interacting partners. Communications Psychology 2, 89 (2024).

DOI: 10.1038/s44271-024-00139-9

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Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen, Math.-Nat.-Fak.-Aktuell, Forschung News
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Die Autoren des Papers in Communications Psychology (v.l.): Prof. Dr. Tobias Kalenscher (HHU); Prof. Dr. Marijn van Wingerden (Tilburg University); Dr. Lina Oberließen (Veterinärmedizinische Universität Wien). (Fotos: HHU / Laura Bechtold; Erik van der Burgt; Wolfgang Rynesch)

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Schematische Darstellung der Verteilung der Smiley-Sticker. Der graue Teil jedes Kästchens entspricht der Stickerzahl, die sich das Kind, das die Entscheidung trifft, selbst gibt. Der weiße Teil ist die Menge, die das Empfängerkind erhält. Es musste jeweils zwischen einer fairen 1:1 Verteilung (jedes Kind erhält einen Sticker) oder einer unfairen Verteilung entschieden werden. Die unfairen Verteilungen ergaben ungleiche Ergebnisse, die entweder nachteilig (linke Quadranten) oder vorteilhaft (rechte Quadranten) für das Kind waren, das die Entscheidung traf. Die Verteilungen waren außerdem entweder nicht kostspielig (obere Quadranten; immer jeweils ein Sticker für das Kind, das die Entscheidung traf) oder kostspielig (untere Quadranten; die unfaire Alternative ergab einen Sticker mehr als die faire Alternative). (Abbildung: HHU / Tobias Kalenscher)

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