Materie und Antimaterie stehen in fundamentalem Verhältnis zueinander: Jedes Materieteilchen – aus denen alles in und um uns aufgebaut ist – hat ein Antimaterie-Pendant –, zum Beispiel sind die Positronen die Antiteilchen der Elektronen. In Hochenergiebeschleunigern und in der kosmischen Höhenstrahlung entstehen auf der Erde konjugierte Teilchen-Antiteilchen-Paare aus reiner Bewegungsenergie; treffen sie wieder aufeinander, löschen sie sich in einem hochenergetischen Lichtblitz aus.
Einige der fundamentalsten Fragen der Physik drehen sich um das Verhältnis dieser Entitäten. Etwa, ob die fundamentalen Eigenschaften von Teilchen und Antiteilchen – bis ggbf. auf ihr Vorzeichen – gleich sind oder ob es winzige Unterschiede gibt. Und sehr essentiell: Warum besteht unser Universum allem Anschein nach nur aus Materie, wo Materieteilchen doch stets in Paaren mit ihrer Antimaterie erzeugt werden.
Prof. Dr. Stefan Ulmer befasst sich mit der ultrapräzisen Vermessung der fundamentalen Eigenschaften von Antimaterie. Er hat dazu viele neuartige Geräte und Beobachtungsmethoden entwickelt, um beispielsweise Antiprotonen – die bei hohen Energien in Teilchenbeschleunigern hergestellt werden – abzubremsen und in einer sogenannten Penning-Falle zu speichern. Mit den so gefangenen Teilchen kann er dann spektroskopische Messungen durchführen. Hierzu gehören der Vergleich des Ladungs-Masse-Verhältnisses zwischen Protonen und Antiprotonen und die Messung des magnetischen Moments einzelner Antiprotonen und Protonen.
Von der HHU aus wird Prof. Ulmer zum einen weiter an der von ihm gegründeten und etablierten BASE-Kollaboration am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf und am japanischen RIKEN-Forschungslabor weiterarbeiten. Mit dieser Verbindung wird die HHU führendes Institut innerhalb der BASE-Kollaboration und so werden zukünftig auch Düsseldorfer Forscherinnen und Forscher die Möglichkeit haben, am CERN zu arbeiten.
Ulmer: „Ich will das Forschungsspektrum meiner Arbeitsgruppe so aus ausbauen, dass wir in Düsseldorf fundamentale Messungen durchführen können. Hierzu zählen spektroskopische Messungen an Elektronen und Positronen, denn diese leichten Antiteilchen können wir auch an der HHU erzeugen. Um im Rheinland – weit weg von einem Beschleunigerzentrum – auch mit Antiprotonen arbeiten zu können, entwickeln wir aktuell die transportable Antiprotonenfalle ‚BASE-STEP‘. Langfristig gesehen könnte man in Zukunft mit dieser Apparatur prinzipiell Antiprotonen von Genf nach Düsseldorf transportieren.“
Die Anforderungen an sein Labor sind komplex. So müssen die Räume extrem gut gegen störende äußere Magnetfelder abgeschirmt werden, die ansonsten die Messeergebnisse stören können. Ulmer: „Ziel ist es, im späteren Verlauf des kommenden Jahres die Infrastruktur an der HHU soweit vorbereitet zu haben, dass hier die Labore zur Verfügung stehen, um Zukunftsexperimente aufzubauen.“ Hierzu zählen auch solche, mit denen mit hochempfindlichen supraleitenden Resonatoren nach Dunkler Materie gesucht werden wird.
Zur Person
Stefan Ulmer (geboren 1977 in Tübingen) studierte Physik an der Universität Heidelberg (Diplom 2006), wo er im Jahr 2011 mit der Arbeit „First Observation of Spin Flips with a Single Trapped Proton“ promovierte. Im Anschluss arbeitete er am RIKEN-Forschungszentrum in Wako in Japan und am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf. Am 7. November wurde er zum W3-Professor an der Wissenschaftlichen Einrichtung Physik der HHU ernannt.
Prof. Ulmer erforscht fundamentalphysikalische Zusammenhänge, so zum Beispiel das Verhältnis von Materie und Antimaterie. Er entwickelte dazu unter anderem Fallen für einzelne Antiprotonen, um daran Hochpräzisionsexperimente durchführen zu können. In diesem Kontext arbeitet er in verschiedenen Forschungskollaborationen in Japan und Genf, er gründete die BASE-Kollaboration am CERN, ist Ko-Gründer und -Direktor des „Max-Planck, RIKEN, PTB Center for time constants and fundamental symmetries“ und Chefwissenschaftler des „Ulmer fundamental symmetries laboratory“ am RIKEN. Außerdem ist er Sprecher der Antimaterie-Kollaborationen am CERN.
Er veröffentlichte bisher mehr als 60 wissenschaftliche Arbeiten, darunter in Zeitschriften wie Nature, Physical Review Letters und Science. Unter anderem erhielt Ulmer den „IUPAP young investigators award 2014 for fundamental metrology“ für seine Beiträge zur Hochpräzisions-Antiprotonenspektroskopie. Am 8. November wird er mit einem der „Falling Walls Awards 2022“ ausgezeichnet.