Entropie ist ein Maß für Unumkehrbarkeit, sie spielt in der Thermodynamik eine zentrale Rolle. Im 19. Jahrhundert war sie Teil eines konzeptionellen physikalischen Durchbruchs; sie bildete den theoretischen Rahmen für den Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen, die für die industrielle Revolution grundlegend waren. Solche technischen Fortschritte finden heute eher in Bereichen wie Nano- und Quantengeräten statt, doch die Entropie bleibt immer noch ein zentrales Konzept.
Prof. Dr. Matthias Geilhufe, Assistenzprofessor am Fachbereich Physik der Chalmers University of Technology: „Ein System möchte sich in der Regel in einen Zustand mit großer Unordnung – also mit maximaler Entropie – hin entwickeln. Ein Beispiel ist ein Zuckerwürfel, der sich in einem Glas Wasser auflöst.“ Während sich der Zucker löst, erhöht das System aus Wasser und Zucker seine Entropie. „Der umgekehrte Prozess – eine spontane Bildung eines Würfelzuckers im Wasser – wird nie beobachtet“, betont Geilhufe.
Ein Berechnungsmodell für Entropie
Die Entropie ist zwar inzwischen ein gängiges Konzept, aber sie kann nicht direkt gemessen werden. Prof. Geilhufe hat jedoch zusammen mit den Forschern Dr. Lorenzo Caprini und Prof. Dr. Hartmut Löwen vom Institut für Theoretische Physik II der HHU ein Berechnungsmodell entwickelt, mit dem die Entropieproduktion in kristallinen Festkörpern, die mit Lasern angeregt werden, auf einer sehr kurzen Zeitskala gemessen werden kann. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten sie kürzlich in einem Artikel in Nature Communications.
„Solche neuen Berechnungsmodelle geben uns neue Forschungsmöglichkeiten. Die Erweiterung der Thermodynamik für ultrakurze Anregungen, die wir erreichen konnten, wird neue Einblicke in die Funktionsweise von Materialien auf der Nanoskala ermöglichen“, sagt Prof. Löwen.
Phononen in kristallinen Materialien können Entropie erzeugen
Die Physiker wandten ihre neue Methode auf kristalline Materialien an. Diese sind unverzichtbar für verschiedene Technologien, die Informationen über kurze Zeiträume übertragen und speichern, wie zum Bespiel bei Halbleitern in Computern oder magnetischen Speichermedien. Diese Materialien bestehen aus einem regelmäßigen kristallinen Gitter, in dem die Atome in sich wiederholenden Mustern angeordnet sind.
Laserlicht kann die Atome in eine kollektive Bewegung versetzen, die Physiker als „Phononen“ bezeichnen. Die Phononen verhalten sich dabei oft so, als wären sie ein Teilchen. Sie werden deshalb auch „Quasiteilchen“ genannt, um sie von echten Teilchen wie Elektronen oder Ionen zu unterscheiden.
Die Studienautoren fanden nun, dass die Phononen – die Gitterschwingungen in kristallinen Materialien – auf die ähnliche Weise Entropie erzeugen können wie Bakterien im Wasser. Wie dies bei den Bakterien geschieht, zeigten Caprini und Löwen in früheren Forschungen und Modellrechnungen.
Neue Perspektiven für ultraschnelle Materialien
Das Rechenmodell der Forscher lässt sich auch auf andere Arten von Materialanregungen anwenden und eröffnet damit eine neue Perspektive in der Forschung zu ultraschnellen Materialien.
„Langfristig kann dieses Wissen für die Anpassung zukünftiger Technologien nützlich sein oder zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führen, wie zum Beispiel für sehr kleine Wärmepumpen“, sagt Dr. Caprini.
Originalpublikation
Caprini, L., Löwen, H. & Geilhufe, R.M. Ultrafast entropy production in pump-probe experiments. Nat Commun 15, 94 (2024).