Von den drei neuen Fellows sind zwei in den Naturwissenschaften und einer in der Medizin angesiedelt:
- Der Schweizerin Dr. Marie-Eve Hoeppli wird am Institut für Experimentelle Psychologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Susanne Becker arbeiten. In ihrem Projekt geht es um die Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen des Bewegungsapparats und deren neurale Repräsentation.
- Dr. Qian Xing aus China wird von Prof. Dr. Rüdiger Simon am Institut für Entwicklungsgenetik betreut. Sie wird epigenetische Reaktionen auf Umweltstress bei Nutzpflanzen erforschen, die durch den Klimawandel ausgelöst werden.
- Dr. Nicholas Binney, Großbritannien, ist Gast von Prof. Dr. Heiner Fangerau am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Er befasst sich mit den grundlegenden Annahmen darüber, was einen medizinischen Test „gut“ macht und bewertet dies vor dem Hintergrund der Geschichte ihrer Entwicklung neu.
Prof. Dr. Stefan Marschall, Prorektor für Internationales und Wissenschaftskommunikation der HHU, begrüßt die European Postdoctoral Fellows in Düsseldorf und betont die Bedeutung des Programms für die HHU: „Durch das Marie-Curie-Programm kommen talentierte Postdocs an die HHU, um gemeinsam mit unseren Forschenden an wichtigen Fragestellungen aus verschiedensten Themengebieten zu arbeiten. So können unterschiedliche Perspektiven vereint werden. Die Fellowships bieten sowohl den Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern als auch den gastgebenden Instituten die Möglichkeit, internationale Kontakte zu erlangen und Netzwerke zu knüpfen, die für die heute verflochtene Wissenschaft so wichtig sind.“
Die HHU unterstützt dieses europäische Förderprogramm und die damit verbundene Vernetzungsidee nachhaltig. Mit den „Marie S.-Curie Masterclasses“ spricht das HHU-Forschungsmanagement interessierte Antragsstellerinnen und -steller bereits im Vorfeld der Bewerbung an.
Die Fellows und ihre Projekte
Die 1981 in Fribourg in der Schweiz geborene Schweizerin Marie-Eve Hoeppli studierte Psychologie und Neurowissenschaften in Fribourg und in Genf. Von 2010 bis 2018 forschte sie an der McGill University in Montreal (Kanada), wo sie auch mit der Arbeit „Investigation into the sensations of muscle pain and fatigue induced by selective and physiological activation of metabosensitive and mechanosensitive muscle afferent fibers“ promovierte. Seit 2017 arbeitet sie am Cincinnati Children Hospital Medical Center in den USA. Am 1. Februar 2025 beginnt sie ihr zweijähriges Marie-Curie-Projekt am Institut für Experimentelle Psychologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Susanne Becker.
Dr. Hoepplis Forschungsinteressen umfassen Mechanismen, die an Muskelschmerzen und muskulärer Ermüdung bei Personen mit und ohne chronischem Schmerz beteiligt sind. Dabei liegt ein Fokus auf den Mechanismen im Gehirn, die mit individuellen Unterschieden im Schmerzerleben zusammenhängen. Dr. Hoeppli konzentriert sich dabei auf Schmerzen, die über die gesamte Lebensspanne auftreten können, mit einem besonderen Interesse für das Schmerzerleben von Kindern.
Während ihres Projekts „PROTECT – Mechanisms underlying functional disabilities in chronic musculoskeletal pain: the role of protective factors” an der HHU wird sich Dr. Hoeppli zusammen mit dem Team von Prof. Becker vor allem mit funktionellen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats befassen. Solche Schmerzen können für Schmerzpatienten extrem einschränkend sein und führen langfristig häufig zum Beispiel zur sozialen Isolation der Betroffenen. Ein besseres Verständnis dieser Mechanismen – die bisher nur unzureichend bekannt sind – ist wichtig, um die Behandlung verbessern zu können.
Speziell sollen in dem Projekt an der HHU zum einen die Auswirkungen des individuellen sportlichen Zustands und geistiger und körperlicher Ermüdung auf den Zusammenhang zwischen Resilienz und funktionellen Beeinträchtigungen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Minderjährigen mit chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats untersucht werden. Zum anderen wird funktionelle Magnetresonanztomografie bei Erwachsenen mit chronischen Schmerzen eingesetzt, um die neuralen Strukturen und Netzwerke zu identifizieren, die solchen funktionellen Beeinträchtigungen zugrunde liegen.
Qian Xing wurde 1982 in Xi’an in der Volksrepublik China geboren. Sie studierte Gartenbauwissenschaften und Molekulare Pflanzenbiologie an der China Agricultural University in Peking und promovierte 2012 mit der Arbeit „Genetic Dissection Reveals Distinct Roles for the Transcription Factor ZHOUPI in Controlling Arabidopsis Endosperm Cell Death and Embryonic Cuticle Development“ an der Universität von Edinburgh in Schottland. Nach Forschungsstellen an den Universitäten in Bonn und in Harbin / China ist seit 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum für pflanzliche Ressourcen am Botanischen Garten Lushan in Jiujiang / China. Im September 2024 tritt sie das European Postdoctoral Fellowship am Institut für Entwicklungsgenetik (Leitung: Prof. Dr. Rüdiger Simon) an.
Dr. Xings Forschungsgebiet ist die Epigenetik bei Pflanzen, also die Frage, welche Faktoren die Aktivität von Genen und damit die Entwicklung der Pflanzenzellen zu bestimmen Zeiten und als Reaktion auf äußere Faktoren regulieren. Epigenetische Mechanismen ermöglichen erst, dass sich unterschiedliche Gewebe und damit ganze Organe entwickeln. Durch sie reagieren Organismen auf äußere Signale, ohne dass ihr Erbgut irreversibel verändert wird. Dr. Xing interessiert sich unter anderem für epigenetische Mechanismus im „Pflanzengedächtnis“, die durch äußere Signale wie verschiedene Stressfaktoren ausgelöst werden. Ziel ist, Ernteerträge zu erhöhen und die Lebensmittelqualität und -sicherheit zu verbessern, indem gezielt die epigenetischen Reaktionen von Pflanzen genutzt oder aber diese verändert werden.
In ihrem Projekt an der HHU „DIRE-YY1 – Dissection of the Interactome and the Regulatory Network of the Dual-Function Transcription Factor Ying Yang 1, a Master Regulator of Plant Stress Responses and Development” will Xing Anpassungs- und Abwehrreaktionen von Nutzpflanzen auf Umweltstress, der durch den Klimawandel ausgelöst wird, untersuchen. Im Zentrum steht dabei der Transkriptionsfaktor mit Doppelfunktion „YIN YANG 1 (YY1)“. Im Projekt sollen Stressreaktionen bei Nutzpflanzen optimiert werden, die von YY1 gesteuert werden.
Nicholas Binney, Vereinigtes Königreich (UK), geboren 1981 in Hong Kong, studierte zunächst Veterinärmedizin (Bachelor) am Royal Veterinary College in London. Danach studierte Geschichte der Medizin an der University of London und promovierte 2017 in diesem Fach an der University of Exeter, UK. Als Postdoc forschte er am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, am Erasmus Medical Center in Rotterdam und zuletzt an der Universität Tübingen, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin. Dr. Binney wird beginnend mit dem 1. September 2025 für zwei Jahre in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Heiner Fangerau am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der HHU arbeiten.
In seinem Projekt „HistPhilMedTest | Is This A Good Medical Test?“ wird er untersuchen, wie diagnostische Tests in der Medizin auf ihren Wert hin überprüft werden und wie es zu diesen Tests und ihrer Bewertung kam. Es geht also um die Frage, wie und warum beispielsweise der eine Coronaschnelltest für glaubwürdig gehalten wird, während dies für den anderen nicht gilt oder warum PCR-Tests in der Pandemie als korrekter galten als Schnelltests. Das Projekt verbindet dabei erkenntnistheoretische und historische Ansätze. Im Vordergrund steht dabei das Problem, das viele Tests auf der Annahme gründen, es gebe durch bestimmte klinische Symptomkomplexe oder sichtbare Veränderungen abgegrenzte Krankheitsbilder. Da verschiedene Erkrankungen gleiche oder ähnliche Symptome hervorrufen können, kommt es dabei zu Unschärfen. Mit dem Wandel von Krankheitsverständnissen könnten sich aber auch Annahmen zu Testsystemen verändern. Ziel des Projekts ist es, die grundlegenden Annahmen darüber, was einen Test „gut“ macht, vor dem Hintergrund der Geschichte der Entwicklung von Tests neu zu bewerten.
Marie Skłodowska-Curie-Programm
Die im Rahmen des Marie Skłodowska-Curie-Programms vergebenen „European Postdoctoral Fellowships“ sind eine Förderlinie im EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“. Die in 2023 mit insgesamt 221,4 Millionen Euro ausgestattete Programmlinie (alle Angaben für die European Fellowships; zusätzlich gibt es die „Global Fellowships“, von denen die HHU bei der Ausschreibung keines einwarb) richtet sich an promovierte Nachwuchsforscherinnen und -forschern aus aller Welt und ermöglicht ihnen einen bis zu zweijährigen Forschungsaufenthalt im Ausland, während dessen sie sich gleichzeitig fortbilden und ihre Kompetenzen erweitern können.
Das Bewerbungsverfahren ist sehr kompetitiv. Von den EU-weit im Herbst 2023 eingereichten 7.181 Anträgen wurden nur knapp 15,7 Prozent bewilligt. Das Programm richtet sich an promovierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Ein Antrag wird gemeinsam vom Fellow und der gastgebenden Hochschule gestellt.
Die 24-monatigen Fellowships sind jeweils mit rund 190.000 Euro ausgestattet. Enthalten ist die Finanzierung der Personalstelle und ein Betrag für Forschungsausgaben, für Mobilität und wissenschaftliche Weiterbildungsangebote.
Postdoktorandinnen und -doktoranden, die als Fellow nach Düsseldorf kommen möchten, können an der jährlich stattfindenden Marie S. Curie-Masterclass teilnehmen, die von der Abteilung Forschungsmanagement und Transfer durchgeführt wird. Weitere Informationen dazu finden sich hier.
Derzeit läuft die Ausschreibungsrunde für 2024, Deadline für Bewerbungen ist der 11. September 2024.
Weitere Informationen: Seiten der Europäischen Kommission