„Spenden bedeutet, seine Solidarität mit anderen, bedürftigen Menschen zu zeigen“, so Schnabel. Doch wie misst man Solidarität? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Heinrich-Heine-Universität haben dazu einen von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebenen und von infas (Institut für angewandte Sozialwissenschaft) erhobenen internationalen Datensatz ausgewertet, der unter anderem Fragen zu solidarischen Einstellungen und Handeln umfasst. Die Ergebnisse sind in dem Religionsmonitorbericht „Ressourcen für Solidarität“ veröffentlicht. Ein Ergebnis: „Die Bereitschaft zur Solidarität im Sinne von Spenden wird vor allem durch aktuelle Krisen und Notsituationen angestoßen. Und zwar nicht nur solche im eigenen Land, wie etwa die enorme Spendenbereitschaft für die Flutopfer des sogenannten Ahr-Hochwassers 2021 zeigt, sondern auch solche in anderen Ländern oder Erdteilen. Nach unserer Umfrage sind etwa 75 Prozent der Menschen bereit, Geld für Flutopfer in Deutschland zu spenden und für Katastrophen, die sich im Ausland ereignen, immerhin noch 63 Prozent.“
Auffällig dabei: Religiös gebundene Menschen fühlen sich stärker solidarisch und spenden mehr. „Im Jahr 2023 haben 71 Prozent der christlichen und 69 Prozent der muslimischen Befragten Geld für wohltätige Zwecke gespendet, bei den Menschen ohne Glaubenszugehörigkeit waren es nur 59 Prozent.“ Und auch bei der praktischen Solidarität, also dem Ehrenamt, sind religiös gebundene Menschen aktiver: Hier sind etwa 31 Prozent ehrenamtlich aktiv, in der nichtreligiös gebundenen Vergleichsgruppe sind es nur 17 Prozent. „Die Gemeinschaftserfahrung scheint die Gemeinwohlorientierung deutlich zu beeinflussen“, so die Sozialwissenschaftlerin. Darüber hinaus bieten religiöse Gemeinschaften Räume, Gelegenheiten und Organisationsstrukturen, die dabei helfen, Spendenwilligkeit und Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement mit Hilfsbedürftigen zusammenzubringen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine sich zunehmend säkularisierende Gesellschaft nicht auch über Solidarressourcen – z.B. in Form von Vereinen oder Nachbarschaftshilfen - verfügt.
Wichtig ist zudem die Wahrnehmung des gesellschaftlichen Klimas: Eine deutliche Mehrheit der Deutschen sieht Gerechtigkeitslücken in unserem Land: 77 Prozent der Menschen halten Armut nicht für selbstverschuldet und 84 Prozent halten es für ungerecht, wie wirtschaftliche Gewinne in Deutschland verteilt werden. Das wird langfristig auch Auswirkungen auf das Spendenverhalten haben. „Die Bereitschaft zu spenden und sich sozial zu engagieren hängt maßgeblich davon ab, wie gerecht und solidarisch die Gesellschaft wahrgenommen wird“, so Schnabel. „Verlieren immer mehr Menschen das soziale Vertrauen, dann kann das auch zu einem Rückzug ins Private und zum Rückgang der Bereitschaft, sich für andere zu engagieren, führen.“