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Biologie: Veröffentlichung in Nature Communications
Verwandtschaft entdeckt: Membranproteine von Cyanobakterien und von höheren Organismen sind strukturell ähnlich

Ein Forschungsteam der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Forschungszentrums Jülich mit Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat Membranproteine der evolutionsgeschichtlich sehr alten Cyanobakterien untersucht. Sie identifizierten dort das Protein SynDLP, dass ein bakterieller Vorfahre von vergleichbaren Membranproteinen bei Eukaryoten sein kann, wie sie nun in der Fachzeitschrift Nature Communications ausführen.

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SynDLP, das Dynamin-ähnliche Protein aus dem Cyanobakterium Synechocystis, bildet hoch-geordnete, oligomere Strukturen, die an Membranen binden. (Abbildung: JGU / Lucas Gewehr, Dirk Schneider)

Die Zellen von Lebewesen sind mit Proteinen ausgestattet, die an der Gestaltung und dem Umbau der Zellmembran beteiligt sind und dadurch wichtige Aufgaben erfüllen. Die Zellmembran umschließt das Zellinnere, unterliegt aber ständigen Veränderungen etwa durch Abtrennungen, Einstülpungen oder Fusionen. Daran sind auch verschiedene Proteine beteiligt, von denen lange Zeit angenommen wurde, dass sie ausschließlich oder vorwiegend in höheren Lebewesen vorkommen.

In den vergangenen 10 bis 20 Jahren wurden aber Proteine identifiziert oder vorhergesagt, die auch bei einfachen Organismen, die keinen Zellkern besitzen, zu finden sind. Im Rahmen einer Forschungskooperation konnte nun erstmals ein Protein beschrieben werden, das bei Cyanobakterien an der Membranumgestaltung beteiligt ist. Dass ein solches bakterielles Protein existiert, wurde zwar vermutet, der Nachweis stand allerdings noch aus. Es handelt sich dabei vermutlich um den bakteriellen Vertreter eines vergleichbaren Proteins, das in höheren Organismen wie Tieren und Pflanzen zu finden ist.

Membranproteine auch bei Prokaryoten entdeckt

Membranproteine sind an verschiedenen Prozessen zum Umbau der Zellmembran beteiligt sowie an Reparaturvorgängen, um Membranschäden zu beheben. Sie sichern so auch das Überleben der Zelle mit ab. Im vergangenen Jahrzehnt wurden auch bei Prokaryoten – einfachen Organismen, die keinen Zellkern besitzen – solche Proteine entdeckt. Viele davon haben Ähnlichkeit mit Proteinen, von denen man bisher angenommen hat, dass sie nur bei komplexeren Organismen mit einem Zellkern vorkommen, also den Eukaryoten, zu denen auch Tiere und Pflanze zählen.

Auch sogenannte Dynamine und Dynamin-ähnliche Proteine wurden ursprünglich als eine eukaryotische Erfindung angesehen, bis eine bioinformatische Studie 1999 die Existenz bakterieller Dynamin-ähnlicher Proteine vorhersagte. Die DLPs – abgekürzt von dem englischen Begriff Dynamin-Like Proteins – gehören zur Dynamin-Proteinsuperfamilie und sind in Eukaryoten an verschiedenen Membranumbauprozessen beteiligt.

Vor Kurzem wurde nun ein DNP, das SynDLP, im Genom eines Cyanobakteriums gefunden. Dieses Protein hat das Forschungsteam der JGU und des Forschungszentrums Jülich mit Beteiligung der HHU untersucht. „Wir gingen früher davon aus, dass wir diese Art von Proteinen nur in eukaryotischen Zellen finden“, sagt Prof. Dr. Dirk Schneider, Leiter der Arbeitsgruppe Membranbiochemie an der JGU. „SynDLP besitzt eine Struktur, wie wir sie bisher nur von höheren Organismen kannten“, ergänzt Prof. Dr. Carsten Sachse, Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich und Biologieprofessor an der HHU.

„Die strukturellen Eigenschaften von SynDLP lassen darauf schließen, dass es sich um den nächsten bekannten bakteriellen Vorfahren von eukaryotischem Dynamin handelt“, beschreibt Prof. Sachse die Ergebnisse. „Wir nehmen an, dass dieses Protein schon in einer Urzelle vorhanden war, bevor es zu der Aufspaltung in Lebewesen mit und ohne Zellkern gekommen ist“, ergänzt Prof. Schneider.

Cyanobakterien verfügen über ein internes Membransystem zur Photosynthese

Cyanobakterien gehören zu den ältesten Organismen auf der Erde, sie werden wegen ihrer Farbe auch als Blaugrünbakterien bezeichnet. Sie besitzen im Gegensatz zu anderen Bakterien ein zweites internes Membransystem, in dem Photosynthese stattfindet. Gerade wegen dieser Lichtreaktion ist die Membran sehr verletzlich und unterliegt einem ständigen Umbau. Daher sind entsprechende Proteine für den Wiederaufbau oder die Reparatur der Membran besonders wichtig.

„Wir wissen bis jetzt noch nicht genau, welche Funktion dem SynDLP in der Membrandynamik zukommt“, sagt Prof. Schneider. Es scheint unter Laborbedingungen nicht lebensnotwendig zu sein. „Wenn es allerdings nicht essenziell wäre, dann hätte es sich nicht über Milliarden von Jahren erhalten“, vermutet der Mainzer Chemiker. Zukünftig wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, welche Funktion das Protein in der Bakterienzelle genau übernimmt.

Langjährige Forschungskooperation trägt Früchte

An den jetzt im Fachjournal Nature Communications veröffentlichten Ergebnissen achtjähriger Forschungsarbeiten waren drei Nachwuchswissenschaftler maßgeblich beteiligt: Dr. Ruven Jilly und Lucas Gewehr von der JGU und Dr. Benedikt Junglas vom Forschungszentrum Jülich, ehemals Doktorand am Max Planck Graduate Center mit der Johannes Gutenberg-Universität (MPGC). Weitere Kooperationspartner stammen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und der Universität Aarhus in Dänemark.

Originalpublikation

Lucas Gewehr, Benedikt Junglas, Ruven Jilly, Johannes Franz, Wenyu Eva Zhu, Tobias Weidner, Mischa Bonn, Carsten Sachse & Dirk Schneider, SynDLP is a dynamin-like protein of Synechocystis sp. PCC 6803 with eukaryotic features, Nat Commun 14, 2156 (2023)

DOI: 10.1038/s41467-023-37746-9

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Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen, Math.-Nat.-Fak.-Aktuell, Forschung News
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