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HHU-Wirtschaftsprofessor Rafael Laguna de la Vera
Von Sprunginnovationen, Innovationstheater und HIPOs

Bei Rafael Laguna de la Vera - Software-Unternehmer, Technologie-Investor und Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND - dreht sich alles um neue Ideen. In seinem ersten Vortrag im Rahmen der HHU-Wirtschaftsprofessur gab er am 26. Oktober im gut besetzten Hörsaal 3D Einblicke in die Aufgabe und Arbeit der SPRIND, definierte Sprunginnovation und sprach über den Unterschied von echten Innovationen und Schein-Innovationen („Innovationstheater“).

26. Oktober: Erster Vortrag von Rafael Laguna de la Vera im Rahmen der HHU-Wirtschaftsprofessur (alle Fotos: Christoph Kawan / HHU)

Locker in der Ansprache, ohne Redemanuskript, dafür in Anlehnung seines gemeinsam mit Thomas Ramge veröffentlichten Buches ‚Sprunginnovation: Wie wir mit Wissenschaft und Technik die Welt in Balance bekommen‘, begann Laguna seinen Vortrag mit der Vorstellung der Bundesagentur SPRIND. Nach dem Vorbild der US-amerikanischen Forschungsbehörde Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) soll die SPRIND im Auftrag des Bundesforschungs- und des Bundeswirtschaftsministeriums disruptive Technologien vorantreiben, also Forschungsideen, die das Potential zur Sprunginnovation haben.

Charakteristisch für Sprunginnovationen ist, dass sie einen existierenden Markt grundlegend verändern, einen komplett neuen Markt erschaffen oder ein bedeutendes technologisches, soziales oder ökologisches Problem lösen. Ein gutes Beispiel aus der jüngsten Zeit: Der in Deutschland innerhalb kürzester Zeit entwickelte Corona-Impfstoff auf Basis der neuen, innovativen mRNA-Technologie. In der weltweiten Pandemie schützte er mutmaßlich Millionen von Menschen vor schweren Verläufen. Rafael Laguna de la Vera: „Wenn man einen einfachen Maßstab anlegen will, um bahnbrechende Innovation zu erkennen, dann den, dass echte Sprunginnovation unser Leben grundlegend zum Besseren verändert und zum Wohle möglichst vieler Menschen beiträgt – oder frei nach Jeremy Bentham: Größtmögliches Glück für die größtmögliche Anzahl von Menschen. Zu den TOP 50 Sprunginnovationen, die zu steigendem Wohlstand oder besserer Bildung geführt haben, finden sich der Buchdruck, das Auto bis zum Internet und dem Smartphone.“

Aber: Die oft libertären Plattformmodelle, insbesondere des Silicon Valley, fallen nach dieser Definition laut Laguna weg. Denn diese sind nur gut für die Leute, die in den dadurch entstehenden Monopolen oder Oligopolen sitzen – für den Rest der Welt sind sie schlecht. Zum Beispiel das Taxiunternehmen UBER: Dort würden Milliarden an Venture Capital in die Unterstützung des eigenen Business fließen, nur um Dumpingpreise für Kunden und höhere Bezahlung für Fahrer anbieten zu können. Das Ziel: erst einmal alle auf die eigene Plattform zu locken - zumeist unter Nichtbeachtung der lokalen Regulierung. Solange, bis die Konkurrenz „platt sei". Dann drehe man den Spieß um und quetsche Kunden und Fahrer finanziell aus. „Deswegen sind das für uns Scheininnovationen, das Getöse um solch erpresserischen Modelle ist Innovationstheater“, so Laguna, „Wir müssen genau scannen, welche Innovation wir wollen!“.

Neue, die Welt verändernde Erfindungen u.a. für die chemische, pharmazeutische, Elektro- und Autoindustrie wurden im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in Deutschland reihenweise gemacht. Sie haben einen Wohlstand geschaffen, von dem es heute noch zehrt. In den letzten Jahrzehnten habe viel inkrementelle Innovation stattgefunden, auch disruptive – „aber wir haben es nicht immer verstanden, diese dann auch zu kommerzialisieren, in unserem Wirtschaftsraum herauszuholen. Ein gutes Beispiel ist die Musikkompressionstechnologie mp3: Entwickelt von Siemens in Erlangen – gebaut von Steve Jobs und Apple in Kalifornien!“.

Deutschland verfügt über eine sehr gute Grundlagenforschung und viele kluge, gut ausgebildete Köpfe. „Und auch Geld ist nicht das Problem – Wasserstoff- und Quantentechnologie, 5G, KI, Digitalpakt Schule – überall stehen Milliarden bereit. Was fehlt sind intelligente Strategien und ihre zügige Umsetzung. Hier wollen wir mit der SPRIND einen Beitrag leisten“, erläutert der Experte und weiter, „unser Support kann sehr unterschiedlicher Natur ein: Wir finanzieren Projekte, wir helfen dabei, Teams zusammen zu stellen, und verknüpfen sie mit den richtigen Netzwerken aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Durch unsere Unterstützung geben wir Innovatoren und Innovatorinnen die Möglichkeit, ihr Projekt bis zu einem vorkommerziellen Zustand weiter zu entwickeln. So schaffen wir Räume, in denen man Risiken eingehen und radikal anders denken kann.  Wir sorgen für ein unternehmerisches Umfeld, das Ideen real werden lässt.“

Ob ein Projekt geeignet ist, prüfe die SPRIND anhand von 90 Kriterien. Dazu gehören beispielsweise die Nachhaltigkeitskriterien, die von den Vereinten Nationen definiert wurden. Zudem schreibe man Wettbewerbe für Innovation, sogenannte Challenges aus. Gesucht werden bahnbrechende Lösungen für bestimmte gesellschaftliche Herausforderungen, wie beispielsweise die Entwicklung von antiviralen Wirkstoffen, oder wie bei ‚Carbon to Value‘ Technologien, die helfen, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen – und das günstig und skalierbar.

Kann man einen Persönlichkeitstypus ausmachen, der sich als besonders innovativ erweist? „Hinter Sprunginnovationen stecken meistens Menschen, die von ihren Ideen besessen, wirkungsorientiert und in der Sache unbeirrbar sind. Wir bei SPRIND nennen sie High Potentials oder liebevoll HIPOs. Sie brennen für ihre Sache, arbeiten Tag und Nacht daran, und verfügen über eine außergewöhnliche Persistenz, die sie auch Rückschläge einstecken lässt. Jede Stunde, die sie nicht an ihrer Sache arbeiten, ist für sie verschwendete Zeit. Deshalb sind HIPOs häufig außerhalb ihres Interessensgebiet auch eher keine guten Schüler, obwohl sie mit der Fähigkeit ausgestattet sind, logisch denken zu können. Was sie eigentlich interessiert, sind Investitionsmöglichkeiten in ihre Idee“, erläutert Laguna.  HIPOs mit guten Themen zu finden, gehöre deshalb zu den Aufgaben der SPRIND. 

Laut Laguna hat Deutschland das Potential, die Megatrends der Zukunft zu prägen. Welche Strategien es dazu braucht und in welchen Handlungsfeldern Politik und öffentliche Verwaltung die Rahmenbedingungen verbessern muss, wird Gegenstand der zweiten öffentlichen Veranstaltung am 22. November um 16:30 Uhr sein.  Interessierte sind schon jetzt herzlich eingeladen.

Am Ende seines ersten Vortrags gab es viel Applaus für den Direktor der Bundesagentur SPRIND. Auch ihm nimmt man ab, für seine Idee zu brennen.

 

Der Mitschnitt steht auf HHU-youtube zur Verfügung.

https://youtu.be/PoMC-gEqv0Y

 

 

Autor/in:
Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen

Die HHU-Wirtschaftsprofessur habe das Ziel, die Universität als Diskussionsforum für aktuelle wirtschaftspolitische Fragen zu profilieren, so Prof. Dr. Stefan Süß, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, bei seiner Begrüßung.

Mit Unterstützung der Dr. Jost Henkel Stiftung zeichnet die Universität Düsseldorf seit 2011 bedeutende Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Praxis aus: (v.l.) Stefan Süß, Rafael Laguna de la Vera sowie (stellvertretend für die Stiftung) Geschäftsführerin Karol-Monique Westhoff.

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