Mit dem Begriff Chiralität wird eine Form von Asymmetrie in der Bewegung oder Struktur eines Teilchens bezeichnet. Sie ist vergleichbar mit einem Uhrzeiger, der sich stets in eine bevorzugte Richtung dreht. Diese Eigenschaft untersucht Dr. Abdoli bei mikroskopisch kleinen, aktiven Teilchen. Er analysiert beispielsweise, wie sich schwimmende Bakterien oder synthetische Kolloide autonom in Flüssigkeiten bewegen und welche – oft komplexen – Bahnen sie verfolgen.
Unter ihnen stellen „Kreisschwimmer“ eine besondere Klasse mesoskopischer Partikel dar. Sie bewegen sich selbständig entlang spiral- oder schraubenförmiger Bahnen. Warum sie genau dies tun, ist eine wichtige Frage für die Grundlagenforschung, die auch für Anwendungen relevant ist: beispielsweise für die gezielte Arzneimittelverabreichung durch aktive, autonome Transporter, oder um selbstorganisierende Materialien zu entwickeln.
An der HHU untersucht Dr. Abdoli, wie sich Kreisschwimmer in begrenzten Umgebungen verhalten, wie ihre Bewegung durch sogenanntes stochastisches Resetting – die Teilchenbewegung wird regelmäßig von einer festen Position neu gestartet, um zu verhindern, dass sie in sich in ungünstigen Positionen festfahren – optimiert werden kann und wie sie sich in großen Ensembles kollektiv organisieren.
„Chiralität verändert grundlegend, wie aktive Teilchen den Raum erkunden und mit ihrer Umgebung interagieren“, erklärt der theoretische Physiker und ergänzt: „Wir wollen ein theoretisches Rahmenwerk etablieren, das diese Effekte erfasst und zur Vorhersage natürlicher und synthetisch aktiver Systeme dienen kann.“
Prof. Löwen, Leiter des Instituts für Theoretische Physik II: „In dem neuen Walter-Benjamin-Projekt wird Dr. Abdoli seine Forschungen zur Dynamik von Mikroschwimmern in komplexen Umgebungen in unserem Team fortsetzen. Mit dem zu erhoffenden tieferen Verständnis von Nichtgleichgewichtssystemen können neue Anwendungen in der Mikro- und Nanotechnologie möglich werden.“
Abdoli ergänzt: „Wir wollen ebenfalls kollektive Effekte untersuchen, die auftreten, wenn mehrere Kreisschwimmer miteinander interagieren. Hierbei können möglicherweise – durch hydrodynamische Wechselwirkungen und die gegenseitige Ausrichtung zueinander – unerwartete Selbstorganisationseffekte auftreten.“
Zur Person
Iman Abdoli (geboren 1989 in Malayer im Iran) studierte Physik an der Bu-Ali Sina-Universität im iranischen Hamedan (Bachelor 2013, Master 2016). Er promovierte im Anschluss an der Technischen Universität Dresden im Jahr 2023 mit einer Arbeit zur schiefsymmetrischen Dynamik in Diffusionssystemen. Seit Juli 2023 ist er wissenschaftlichen Mitarbeiter an der HHU, seit April 2025 arbeitet er im Rahmen einer Walter-Benjamin-Programmförderung am HHU-Institut für Theoretische Physik II (Institutsleiter: Prof. Dr. Hartmut Löwen).
Dr. Abdoli untersucht das komplexe Verhalten aktiver und passiver Brownscher Systeme, mit besonderem Fokus auf Kreisschwimmer, stochastisches Resetting und hydrodynamische Wechselwirkungen in begrenzten Umgebungen. Er publizierte dazu in führenden Fachzeitschriften wie Physical Review Letters, Soft Matter und The Journal of Chemical Physics.
Walter-Benjamin-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Das Walter Benjamin-Programm ermöglicht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Anschluss an die Promotion, ein eigenes Forschungsvorhaben am Ort ihrer Wahl selbständig umzusetzen. Dieses Projekt soll den Grundstein für eine weitere wissenschaftliche Karriere legen.
Das Forschungsvorhaben kann an einer wissenschaftlichen Einrichtung in Deutschland oder im Ausland durchgeführt werden, wobei die gastgebende Einrichtung das Vorhaben unterstützt. Die Projekte sind in der Regel auf zwei Jahre ausgelegt.
Weitere Informationen auf den Seiten der DFG.