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B2B-Plattformen in NRW: Potenziale, Hemmnisse und Handlungsoptionen

Apple, Google, Facebook und Amazon („GAFA“) haben den Alltag der meisten Menschen verändert und auch vereinfacht. Aber nicht nur für private Nutzer spielen digitale Plattformen eine bedeutende Rolle, sie gewinnen auch für die Kommunikations- und Geschäftsbeziehungen von Unternehmen untereinander zunehmend an Bedeutung.

von Dr. Christiane Kehder und Dr. Ina Loebert

Plattformmärkte, heute als „zweiseitige“ oder auch „mehrseitige“ Märkte bekannt, gewinnen in sämtlichen Wirtschaftsbereichen immer weiter an Bedeutung und stellen regelmäßig traditionelle Geschäftsmodelle vor neue Herausforderungen. So haben die sogenannten GAFA-Unternehmen (Apple, Google, Facebook und Amazon) unseren Alltag oft erheblich vereinfacht. Traditionell decken die GAFA-Unternehmen einen Bereich ab, der heute allgemein als „business-to-consumer“ – („B2C“-) Bereich bezeichnet wird, also Geschäfts- und Kommunikationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Privatpersonen. Neben diesem B2C-Bereich ist in den letzten Jahren auch eine zunehmende Plattformnutzung im sogenannten „Business-to-Business“-Bereich (B2B) zu beobachten. Auch im B2B-Bereich können Plattformen zu einer erheblichen Senkung von Transaktionskosten auf sämtlichen Stufen der unternehmerischen Wertschöpfung beitragen und so die Effizienz der Unternehmen deutlich erhöhen. Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur gibt Grund zur Annahme, dass digitale Plattform-Modelle das wirtschaftliche Geschehen in Zukunft in vielen Bereichen prägen werden.

B2B-LAND NRW?

In einer aktuellen Studie haben wir im Auftrag des Ministeriums  für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIDE NRW) für NRW untersucht, welche Potenziale für den Aufbau von Plattformen
im B2B-Bereich liegen, aber auch welche Hemmnisse das Land für die Entwicklung von B2B-Plattformen aufweist und wie Potenziale weiter gefördert sowie Hemmnisse abgebaut werden können.

Für den Bereich der B2B-Plattformökonomie verfügt NRW über zwei wesentliche Stärken: Zum einen verfügt NRW über einen starken industriellen Sektor, etwa im Bereich Maschinenbau, Chemische Industrie oder der Stahl- und Metallindustrie und -verarbeitung, der insgesamt große Chancen im Internet of Things (IoT), aber auch für andere B2B-Plattformen eröffnet. Zum zweiten profitiert NRW davon, Standort für viele internationale Messen zu sein, was ein erhebliches Potenzial für Online-Marktplätze birgt.

NRW beheimatet viele Weltmarktführer. Insbesondere für jene im industriellen Bereich ergeben sich große Chancen, eine wichtige Vorreiterrolle in der B2B-Plattformökonomie einzunehmen. Namhafte, weltbekannte Unternehmen haben erhebliche Vorteile, Vertrauensprobleme bei der Plattformgründung relativ einfach zu überwinden, da sie für Qualität, Verlässlichkeit und Beständigkeit stehen. Zudem verfügen sie über das nötige Branchen-Know-how zur Entwicklung von B2B-Plattformen in ihren Branchen. Viele Unternehmen in NRW, insbesondere im Bereich Maschinenbau, Chemische Industrie und Stahl- und Metallindustrie und -Verarbeitung weisen damit die wesentlichen Erfolgskriterien für B2B-Plattformen auf. Durch die große Anzahl an kleine und mittelständische Unternehmen in den einzelnen Branchen in NRW finden sich zudem schnell Plattformnutzer, die zumindest in manchen Fällen bei der Plattformgründung hilfreich sein können, schnell die kritische Masse zu erreichen.
Der starke industrielle Sektor bietet damit grundsätzlich optimale Bedingungen, eine Vorreiterrolle in der B2B-Plattformökonomie in einzelnen Branchen einzunehmen.

Neben dem starken industriellen Sektor profitiert NRW davon, Standort zweier international bekannter Messegesellschaften zu sein, an denen das Land zudem Beteiligungen hält. Messegesellschaften bieten optimale Voraussetzungen dafür, die B2B-Plattformökonomie im Bereich der Marktplätze nachhaltig zu beeinflussen, da sie über die notwendigen internationalen Kontakte und Vertriebsnetzwerke sowie das erforderliche Branchen-Know-how verfügen. Hierdurch vermögen es Messegesellschaften einfach und schnell, die wesentlichen Hemmnisse für die erfolgreiche Gründung von B2B-Plattformen wie die Schaffung von Vertrauen im Markt und die Bildung einer kritischen Masse an Teilnehmern zu überwinden. Der Markt für den B2B-E-Commerce ist eines der größten Segmente der deutschen Internetwirtschaft mit hohen Wachstumserwartungen in den nächsten Jahren. In diesem Bereich besteht ein erhebliches Potenzial für branchenspezifische Marktplätze. Für die Politik in NRW ergibt sich damit die einmalige Chance, aktiv dazu beizutragen, Messegesellschaften mit Plattformgründern und innovativen Start-Ups zusammenzubringen und zum weiteren Aufbau von Online-Marktplätzen beizutragen.

Im Bereich der Dienstleistungen wurden Potenziale für NRW insbesondere in den Bereichen Gesundheitswesen, Logistik, Handel, IKT und der Entsorgungsbranche identifiziert. Vorteile ergeben sich hier beispielsweise durch die Ballungsräume und die Bevölkerungsdichte NRWs sowie mit Blick auf die Logistik durch die zentrale Lage zu vielen angrenzenden europäischen Ländern.

Als zentrale Hemmnisse für die Plattformnutzung und -entwicklung wurde fehlendes Vertrauen in die Plattformen und ihren dauerhaften Fortbestand identifiziert, aber auch unzureichende Digitalisierungskompetenzen in den Unternehmen und die Kosten und Investitionen, die aufgebracht werden müssen, um B2B-Plattformen zu nutzen oder zu entwickeln. Bei der Identifizierung von Hemmnissen kann zwischen Hemmnissen für die Plattformnutzung einerseits und Hemmnissen, welche die eigene Entwicklung von B2B-Plattformen hindern andererseits, unterschieden werden. Die Grenzen verlaufen jedoch fließend, da Faktoren, welche die Plattformnutzung auf Unternehmensseite hemmen gleichzeitig auch einen negativen Effekt auf die Entstehung neuer B2B-Plattformen entfalten, da diese nur erfolgreich sein werden, wenn entsprechend viele Unternehmen auch B2B-Plattformen nutzen. Solange es nicht gelingt, potenzielle Kunden von der Nutzung der Plattform zu überzeugen, hemmt dies natürlich auch die Entwicklung von B2B-Plattformen. Die identifizierten Hemmnisse sind grundsätzlich bei KMU und Unternehmen, die bislang keine B2B-Plattformen nutzen, größer als bei großen Unternehmen und Konzernen und solchen Unternehmen, die bereits B2B-Plattformen nutzen.

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

Aus den Hemmnissen für die Plattformnutzung und -entwicklung lassen sich verschiedene Handlungsoptionen für die Politik ableiten. So kann die Politik beispielsweise zur Kommunikation und Bewusstseinsbildung durch zielgerichtete, branchenspezifische Veranstaltungen beitragen, beispielsweise durch die Organisation von Netzwerkveranstaltungen. Eine gezielte Kommunikation würde vor allem im Mittelstand zur Wissensbildung und Wahrnehmung der Potenziale von B2B-Plattformen beitragen – insbesondere auch mit Blick auf die potenzielle Vorreiterrolle, die deutsche industrielle Unternehmen dabei einnehmen können. Zudem können gezielte Bildungs- und Weiterbildungsangebote zu einer Reduzierung des allgemeinen Informationsdefizits zur Plattformökonomie, aber auch ganz spezifisch zur Erhöhung von IT-Kompetenz beitragen. Hier kann die Landesregierung aktiv einen Beitrag leisten, derartige Angebote bereitzustellen und als wichtiger Vermittler fungieren, indem Veranstaltungen organisiert werden, bei denen Plattformbetreiber die Möglichkeit bekommen, ihre Lösungen bei potenziellen Plattformnutzern vorzustellen. Derartige Kommunikationsstrategien sind insbesondere auch im Hinblick auf das identifizierte Potenzial der Messen im Rahmen der Online-Marktplätze hervorzuheben. Auch hier kann es hilfreich sein, Entscheidungsträger mit Plattformgründern und -experten zusammenzubringen. Branchenverbände oder gegebenenfalls auch die Kammern oder eine Kombination aus beiden können als wichtige Kommunikatoren derartiger Veranstaltungen fungieren. Zudem könnten Digital Hubs sogenannte „Plattform-Scouts“ implementieren, die eine wichtige Informations- und Vermittlungsfunktion im Rahmen solcher Veranstaltungen einnehmen und zur Bewusstseinsschärfung beitragen. Förderprogramme, in denen Unternehmen mit IT- oder Geschäftsmodell-Fachleuten zusammenarbeiten, tragen zu einer offenen Innovationspolitik bei und können dabei helfen, Informationsdefizite in Unternehmen abzubauen und gemeinsame Lösungsansätze zu erarbeiten.

Ein weiterer Vorschlag, die B2B-Plattformentwicklung in Nordrhein-Westfalen zu forcieren, liegt in der Förderung von Gemeinschafts-Plattformen im B2B-Bereich, z. B. in der Rechtsform einer Genossenschaft. Genossenschaften tragen durch ihre speziellen Corporate Governance-Strukturen zur Vertrauensbildung im Markt bei. Genossenschaftlich organisierte B2B-Plattformen können sich demnach eignen, das Vertrauensproblem bei der Gründung von B2B-Plattformen zu überwinden. Die Landesregierung kann hier einen Beitrag leisten, indem sie politische Entscheidungsträger, Genossenschaftsverbände, Experten und KMU an einen Tisch bringt und über finanzielle Anreize oder explizite staatliche Förderungsmöglichkeiten zur Gründung von genossenschaftlichen B2B-Plattformen berät.

Dieser Beitrag wurde auch im DICE Policy Brief veröffentlicht.

DICE PUBLIKATION

Justus Haucap, Christiane Kehder und Ina Loebert (2021), B2B-Plattformen in Nordrhein-Westfalen: Potenziale, Hemmnisse und Handlungsoptionen. Ein Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein- Westfalen, Nomos Verlag: Baden-Baden.

Kategorie/n: DICE-Meldung, Forschungkompakt
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