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Europäische Fusionen und Marktmacht

Fusionen und Übernahmen haben weltweit einen starken Zuwachs verzeichnet und in den letzten Jahren ein Transaktionsvolumen von 3 bis 4 Billionen US-Dollar pro Jahr erreicht. Gleichzeitig wird ein erheblicher Anstieg von Marktmacht und Marktkonzentration dokumentiert. In einer empirischen Studie haben wir untersucht, welchen Einfluss Fusionen und Übernahmen in Europa auf Marktmacht in den betroffenen Märkten haben.

Von Prof. Dr. Joel Stiebale

Die kartellrechtliche Prüfung von Fusionen und Übernahmen (M&A) ist ein elementarer Pfeiler der Wettbewerbspolitik und zugleich oftmals eine Herausforderung für die prüfenden Wettbewerbsbehörden. Diese müssen abschätzen, wie der Wettbewerb und somit Preise und Umsätze in den relevanten Märkten durch eine Fusion beeinflusst werden. Dabei können Unternehmenszusammenschlüsse einerseits zu höherer Marktmacht und somit höheren Preisen führen, während andererseits Synergien entstehen können, welche unter Umständen in Form von niedrigeren Preisen oder verbesserten Produkten zumindest teilweise an Kunden weitergegeben werden. Fusionen und Übernahmen von internationaler Bedeutung werden von der „Generaldirektion Wettbewerb“ der Europäischen Kommission geprüft. Die Vorhaben können ganz oder teilweise untersagt werden, wenn die Kommission negativen Auswirkungen auf die Nachfrager erwartet.

Welche Auswirkungen eine Fusion letztendlich wirklich hat, kann nur in einer Ex-Post-Analyse ermittelt werden. Bisherige Studien betrachten dabei zumeist einzelne Fusionsfälle oder ganz bestimmte Märkte und lassen daher wenig verallgemeinerbare Schlussfolgerungen zu. Das Fehlen repräsentativer Studien mag zunächst überraschen, ist allerdings darauf zurückzuführen, dass eine solche Analyse eine sehr umfangreiche Datenbasis benötigt, welche wiederum eine präzise Marktabgrenzung sowie eine sehr sorgfältige Messung von Marktmacht und anderen Variablen der direkt und indirekt betroffenen Unternehmen voraussetzt.

Um diese Forschungslücke zu schließen, haben wir in einem Forschungsprojekt für fast 200 von der Europäischen Kommission genehmigte Fusionen ex post untersucht, welchen Einfluss diese auf die Marktmacht in den relevanten Märkten hatten. Als Maß für die Marktmacht haben wir für die Analyse sogenannte Preis-Kosten-Margen (Preise im Verhältnis zu variablen Stückkosten) geschätzt. Dabei haben wir explizit nicht nur die fusionierenden Unternehmen betrachtet, sondern auch Auswirkungen auf Wettbewerber im relevanten Market analysiert. Grundlage für die Identifikation der relevanten Wettbewerber waren die Fallberichte der Europäischen Kommission, in denen die relevanten Märkte abgegrenzt und die Wettbewerber identifiziert wurden. Unserer Analyse liegt somit eine kartellrechtliche Marktabgrenzung zugrunde.

Marktmachtentwicklung durch Fusionen

Um die Effekte von Fusionen zu bestimmen, haben wir Veränderungen bei den Preis-Kosten-Margen von den Unternehmen, die von Übernahmen betroffen sind, mit denen von anderen Unternehmen verglichen, die vor der Übernahme ähnliche Margen aufwiesen und auch bei anderen Unternehmensmerkmalen ähnlich waren und zudem in derselben Branche, aber nicht auf den relevanten Produktmärkten aktiv waren. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Fusionen im Durchschnitt zu einem substantiellen Anstieg der Marktmacht geführt haben.

Abbildung 1 zeigt die geschätzten Durchschnittseffekte einer Fusion auf die Preis-Kostenmargen der Wettbewerber in Prozent. In den Jahren vor der Fusion sowie in den ersten Jahren danach zeigen sich kaum signifikante Unterschiede zwischen den betroffenen Unternehmen und der Vergleichsgruppe. Die Unterschiede nehmen jedoch im Zeitverlauf zu und führen vier bis fünf Jahre nach einer Fusion zu einem durchschnittlichen Anstieg von über 4 Prozent.

Die oben genannten Zahlen stellen durchschnittliche Veränderungen über alle Fusionen dar, die sich erheblich für die einzelnen Fälle unterscheiden. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass in etwa einem Viertel der Fälle Preisanstiege von mehr als 10 Prozent zu verzeichnen waren und in 15 Prozent der Fusionen sogar ein Anstieg von mehr als 20 Prozent. Fälle mit einem überdurchschnittlich starkem Anstieg der Margen scheinen insbesondere aufzutreten, wenn Märkte bereits vor einer Fusion relativ stark konzentriert waren. So finden wir überdurchschnittlich hohe Effekte insbesondere dann, wenn in einem Markt wenige Wettbewerber aktiv sind, sowie bei Unternehmen, die bereits vor der Fusion über relativ hohe Marktanteile verfügen und/oder hohe Margen aufweisen. Zudem finden wir stärkere Effekte bei inländischen Fusionen als bei internationalen Transaktionen. Interessanterweise führen die Fusionen in unserer Stichprobe zwar zu höheren Profiten, scheinen aber gleichzeitig mit geringerer Wertschöpfung, Beschäftigung und Investitionen einherzugehen.

Implikationen für die Fusionskontrolle

Für die praktische Fusionskontrolle haben diese Ergebnisse verschiedene Implikationen. Erstens scheinen viele genehmigte Fusionen zwar für die betroffenen Unternehmen profitabel zu sein, sie waren aus gesamtwirtschaftlicher Sicht aber weniger wünschenswert. Zweitens scheinen besonders problematische Fälle durch beobachtbare Faktoren wie Marktanteile und die (geringe) Zahl der Unternehmen im Markt relativ gut vorhersagbar zu sein. Drittens dürfte bei einer isolierten Betrachtung, wie sich die Preise und Margen bei den fusionierenden Unternehmen selbst ändern, ein großer Teil der Auswirkungen (wie etwa sog. Preisschirmeffekte) gar nicht erfasst werden, da sie vom Verhalten der Wettbewerber abhängig sind.

Dieser Beitrag wurde auch im DICE Policy Brief veröffentlicht.

DICE PUBLIKATION

Joel Stiebale & Florian Szücs (2019), Mergers and Market Power: Evidence from Rivals' Responses in European Markets, DICE Discussion Paper No. 323.

Kategorie/n: DICE-Meldung, Forschungkompakt
Verantwortlichkeit: